Leserbriefe

Wo bleibt die soziale Gerechtigkeit?

Hellmut Kuby, Nürtingen. Zu den Artikeln „Freiheit. Gerechtigkeit. Solidarität“, vom 3. März und „Gravierende Spuren der Armut“ vom 2. März. Egoismus ertragen oder überwinden? Auf dem Planet Erde leben zur Zeit sieben Milliarden Menschen in extrem unterschiedlichen Verhältnissen. Die sogenannte Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Im Jahr 2010 besaßen 388 Personen 50 Prozent, also die Hälfte des Weltvermögens, mit der zweiten Hälfte mussten 3 500 000 000 (in Worten dreieinhalb Milliarden) Menschen auskommen. Dieser (schon 2010) unvorstellbar große Unterschied zwischen Arm und Reich hat sich seitdem weiter dramatisch verschoben, wie die Zahlenreihen zeigen. 2014: 80 zu 3 500 000 000: 2015: 62 zu 3 500 000 000. Was heißt das? 50 Prozent der Weltbevölkerung, das sind 3,5 Milliarden Menschen, verfügen über ein Gesamtvermögen von 1,76 Billionen US-Dollar, das sind pro Kopf 500 Dollar. Über die gleich große Gesamtsumme verfügen 62 Personen, das sind pro Kopf mehr als 28 000 000 000 (28 Milliarden) Dollar.

Diese himmelschreiende Ungerechtigkeit! Eine Schande – keine Belohnung für die „Tüchtigen“. Schuld daran ist allein der weltweite Kapitalismus, dessen einziges Ziel der Egoismus ist. Er bestimmt die Weltpolitik, nicht die Politik(er). Wer diese Zahlen für eine Statistik hält, die uns Deutsche nichts angeht, der irrt. Im Gegenteil: Deutschland hat in der Eurozone die höchste Vermögensungleichheit. Dabei ist Soziale Gerechtigkeit ein im Grundgesetz verankertes Staatsziel. Durch Gesetze, die Steuergerechtigkeit garantieren, haben Regierung und Parlament für das Wohlergehen aller Bürger zu sorgen. Nach dem Grundsatz Eigentum verpflichtet – starke Schultern müssen mehr tragen. Dieses Prinzip ist – wie sich herausstellt – spätestens seit der vor zehn Jahren von Gerhard Schröder eingeführten Agenda 2010 in Frage gestellt. Alle Veränderungen (Spitzensteuersatz der Einkommen, Erbschaftssteuer, Wegfall der Vermögenssteuer) haben sich zugunsten der Wohlhabenden und zum Nachteil der Mittelschicht ausgewirkt. Einrichtungen wie die Tafel oder die Vesperkirchen sind unübersehbare Indizien, die Fernseh-Dokumentation „Wie solidarisch ist Deutschland?“ (ARD 15. Februar 2016, 23.30, in youtube noch zu sehen) liefert die Beweise. Und? Was geschieht dagegen? Was tun die regierenden Politiker? Und wen wählen die Betroffenen, wenn sie überhaupt wählen? Hier etwas zu reformieren, wäre das nicht eine „urlinke“ (Thierse) Aufgabe? Wer, welche Partei, hat das vor?

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