Leserbriefe

Wie kam es zu der schrecklichen Tat?

Simon Kromer, Wendlingen. Zum Kommentar „Nährboden“ vom 21. Februar. Wen macht man verantwortlich, wenn wieder einmal ein gewaltsamer Terroranschlag stattfindet? Natürlich die Partei, die 2018 statistisch erwiesen die meisten Gewaltdelikte in Deutschland erdulden musste. Niemand bestreitet, dass die AFD, vor allem ihr Landesvorsitzender in Thüringen, die Grenzen des Sagbaren immer wieder überschreitet. Aber für Norbert Wallet ist das tatsächlich Grund genug, ihrem geistigen Umfeld den Amoklauf eines offensichtlich geistesgestörten Menschen anzulasten. Man solle bloß nicht „das so dumm-naive Lied vom Einzeltäter“ singen? Interessant! Jemand wie Tobias R., der so einsam war, dass er sich ein Weltbild schaffen konnte, in dem Donald Trump, Zeitmaschinen, Geheimdienste, Genozide und die Zukunft des DFB in engem Zusammenhang standen, soll also kein Einzelgänger gewesen sein?

Sein seltsames Innenleben wird von einem forensischen Psychiater recht glaubwürdig als Teil einer „paranoide[n] Schizophrenie“ dargestellt. Doch gleich wird der Schwerpunkt wieder auf das rechtsextreme Weltbild gelegt, weil der Amadeus-Antonio-Stiftung anders als kompetenten Fachleuten bereits klar ist, dass die Diagnose „psychisch kranke[r] Einzeltäter“ völlig verfehlt sei. Schließlich, als Krönung bodenloser Spekulationen, wird sogar noch erwähnt, dass Tobias R. eine Zeit lang auf derselben Universität wie Alice Weidel war. Und glaubt denn irgendjemand, dass Sonderlinge wie dieser Amokläufer nun auf einmal eingeschüchtert sind, wenn wir alle noch öfter gegen Rechts demonstrieren, noch grimmiger den AfD-Politiker anschnauzen? Oder werden sie sich noch mehr isolieren, alleine mit ihren zwanghaften Wahnvorstellungen, die gerade durch dieses zurückgezogene Leben erst kultiviert werden?

Kein vernünftiger Zeitgenosse will diese Tat verharmlosen. Zehn Menschen hat dieser Verrückte getötet, eine Vielzahl weiterer sind in tiefer Trauer. Die AfD hat sich in Teilen in den letzten Tagen sicherlich ungeschickt ausgedrückt oder wieder mal xenophobische Einstellungen offenbart. Niemand muss den Laden mögen. Aber gefeiert wurde diese Tat dort ganz sicher nicht. Ganz im Gegenteil. Der Partei ums Verrecken auch nur einen Teil der Verantwortung dafür zuzuschieben, ist auch keine angemessene Reaktion.

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