Leserbriefe

Nicht gescheitert, sondern gescheiter

Reinmar Wipper, Nürtingen. Zu den Berichten über gescheiterte Petitionen. Das lateinische Wort petere heißt bitten, flehen oder erstreben. Es kennzeichnet ein Wollen, das mit Hoffnung einhergeht. Bleibt diese enttäuscht, ist man nicht gescheitert, sondern gescheiter. Zuerst aber enttäuscht. Ein Petent ist ein Bittsteller, seine Petition eine Bittschrift. Sie ist selten erfolgreich. Weil meist nur auf formale Mängel geprüft wird. Selten werden neue Gesichtspunkte berücksichtigt. Man checkt die alten. Gewöhnlich fehlt dem Ausschuss das Fachwissen, das sich engagierte Bürger erworben und ins Feld geführt haben. So bleibt der Ausschuss auf vertrautem Terrain und entscheidet nach Aktenlage. Deswegen hatten die Nürtinger Petitionen zum Großen Forst und zum Wörth-Areal kaum Aussicht auf Erfolg.

Für formale Nachlese könnte man gleich beim Regierungspräsidium anklopfen oder das Verwaltungsgericht bemühen. Technische Fragen oder etwa „Ist das Flussufer für alle da?“ oder „Ist hochklassige Ackererde schützenswert?“ interessieren den Ausschuss nicht, weil sie objektiv nicht zu entscheiden sind. Der Petitionsausschuss war nicht mal vor Ort. Also Aktenlage.

Gleichgültigkeit gegenüber Bürgeranliegen, die vom Rathaus nicht befürwortet werden, hat in Nürtingen Tradition. Nach 3000 Unterschriften gegen eine zweireihige Wörthbebauung hieß es, das seien ja noch lang nicht alle 40 000 Nürtinger. Und zu den 5000 gegen ein Hochregallager auf dem Großen Forst sogar: „Da sch . . . ich drauf“.

Die Berichterstattung dieser Zeitung schrieb mehrfach vom „Scheitern“ der Petitionen. Das ist, mit Verlaub, ein tendenziöser Quatsch. Petitionen scheitern nicht. Sie sind erfolgreich oder erfolglos. Mit „scheitern“ soll zudem das Anliegen selber herabgewürdigt werden. Man kennt das aber, in diesen letzten Bastionen schwäbisch-feudaler Herrschaftlichkeit. Die Guten stehen hinter dem Fürsten, die Bösen draußen und unterschreiben Protestnoten. Fragt sich halt, wie viele es sind, drinnen und draußen. Die Bösen wissen es. Die Guten wollen es nicht wissen.

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