Leserbriefe

Nicht gegeneinander, sondern miteinander

Andreas Bergholz, Nürtingen. Unser Land ist tief gespalten. Eine derartige Stimmung habe ich während meinen jungen Lebzeiten noch nicht erlebt. Die Flüchtlingskrise hat gezeigt, in welchem Zustand sich unsere Gesellschaft befindet und es ist keinesfalls ein gesunder. Als junger Mensch erschrecken mich diese Entwicklungen zutiefst. In meinem naiven Glauben an den menschlichen Fortschritt habe ich es nicht für möglich gehalten, dass wir in Deutschland derartige rassistische Diskussionen im Jahr 2016 führen würden. Wenn das ganze Land von Links bis Rechts darüber diskutiert welche Herkunft ein Straftäter hat, muss irgendwas gewaltig schieflaufen. Zumindest habe ich das im Geschichtsunterricht so gelernt.

Hinzu kommt jetzt auch noch Berlin. In all der Stille und Trauer um die Opfer lässt sich jedoch nicht überhören, wie „das Volk“ mit dem Finger auf die Flüchtlinge zeigt und dem Rest des Landes mit Hass und Verachtung entgegenschreit: „Wir haben es euch ja gesagt.“ Während ein Teil der Bevölkerung fassungslos und irritiert über die Tat ist, macht der andere Teil bereits mobil.

Keine Zeit, um innezuhalten. Keine Zeit, die Toten zu betrauern und an die hinterbliebenen Familien zu denken. Selbst ich konnte mich dem nicht entziehen. Man teilt Beiträge, kommentiert gegen Hetze und Fremdenfeindlichkeit. Bringt das alles was oder wird man damit nicht selbst Teil der Spirale? Weil wenn der Terrorismus ein Ziel verfolgt, dann genau dieses: Die Spaltung der Gesellschaft.

Sollten wir in solchen Zeiten nicht ganz anders handeln? Sollten wir als Gemeinschaft nicht zusammenhalten, nein, nicht sogar zusammenrücken? Davon ist zumindest in den sozialen Netzwerken nichts zu sehen. Wir haben zuhauf Probleme, die wir lösen sollten, sind aber in einer Stockstarre des Konflikts gefangen, der wir nicht entkommen können. Darüber hinaus sehe ich nicht, wie diese Situation aufgelöst werden soll. Weder die Parteien noch irgendeine andere gesellschaftliche Kraft ist in der Lage, die Menschen zu befrieden. Keine Kompromisse. Kein Miteinander. Nur wir gegen die und „wir“ haben immer recht, deswegen hören wir ja nicht auf damit. Wo soll das enden?

Wir brauchen nicht noch mehr Hass und Verachtung. Was wir brauchen sind mutige Menschen, die Hoffnung machen und in schweren Zeiten einen klaren Kopf bewahren. Aber wo bleibt der Aufstand der Anständigen? Wer sich das jetzt auch fragt, dem kann ich nur sagen, dann sind wir zumindest schon zu zweit.

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