Leserbriefe

Löhne der Briefzusteller

Jochen Findeisen, Schlaitdorf. Zum Leserbrief Leistungsgerecht? vom 10. November. Es ist leider richtig, dass Frau Merkel befürchtet, durch zu hohe Löhne bei den Briefzustelldiensten würden Wettbewerber vom Markt vertrieben. Sie sieht es offenbar als ihre Pflicht an, dass die geheiligten neoliberalen Prinzipien von Markt und Wettbewerb um jeden Preis aufrechterhalten werden. Auch um den Preis, dass Briefzusteller für einen Hungerlohn arbeiten und als Geringverdiener Lohnzuschüsse nach Hartz IV in Anspruch nehmen müssen. Das Geld, das der Staat diesen Menschen bezahlt, vermehrt die Profite von privaten Briefzustellunternehmen wie PIN (Hauptaktionär: Bild-Zeitungsherausgeber Verlagshaus Axel Springer), TNT und anderen. Aus Sicht des Bürgers können uns diese Dienste gestohlen bleiben.

Die Zusammenarbeit mit der Deutschen Post war zwar auch nicht immer vergnügungssteuerpflichtig, aber das, was jetzt auf dem Briefmarkt auf uns zukommt, sieht nach noch mehr Raffkes und Abzockern aus. Im Namen des Wettbewerbs wurde dem Bürger schon durch Schleifung des Fernmeldemonopols einiges zugemutet. Neben der Telekom tummelt sich ein ganzer Rattenschwanz von Anbietern auf dem Telefonmarkt. Für den Bürger hieß dies zumeist: schlechter Service, Abzocke durch Hotlines, unverständliche Abrechnungen und dauernde Belästigung durch Anrufer, die Fernmeldedienstleistungen verkaufen wollen. Der Bürger kann von Briefzustelldiensten, die wie oben skizziert mit ihren Angestellten umspringen, auch nichts Gutes erwarten.

Für neoliberale Unternehmer steht weder der Kunde noch der Mitarbeiter, sondern die Rendite im Mittelpunkt. Schon ins Kriminelle geht der jüngste Coup von PIN, TNT & Co: Diese verlangen von ihren Mitarbeitern, freiwillig einer Gewerkschaft beizutreten, die für niedrigere (!) Stundenlöhne eintritt als die neun Euro, die von der Gewerkschaft Verdi mit dem Arbeitgeberverband Postdienste vereinbart wurden. Vorsitzender dieser Gewerkschaft soll Florian Gerster, SPD, sein. Dieser wurde wegen dubioser Auftragsvergaben 2004 als Chef der Bundesagentur für Arbeit entlassen. Nun steht dieser merkwürdige Sozialdemokrat an der Spitze jener merkwürdigen Gewerkschaft, die für niedere Löhne eintritt.

Wenn so der Wettbewerb aussieht, den Frau Merkel wünscht, dann ist ihr zu wünschen, dass sie im Wettbewerb um die Zustimmung des Bürgers mindestens um so viel Prozent einbricht, wie sie den Mitarbeitern privater Postdienste an Einkommensverlusten zumutet.

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