Leserbriefe

Jesus macht hier keine Unterschiede

Peter Schya, Nürtingen. Zum Leserbrief „Sexuelle Vielfalt und freie Meinung“ vom 2. Juli. Wenn ich Herrn Steigerwald und seinen Leserbrief richtig verstehe, dankt der Verfasser Gott dafür, dass er nicht zu den „Fehlentwicklungen“ der Schöpfung gehört. Wie klingt wohl die von ihm mehrmals auch in anderen Leserbriefen geäußerte homophobe und diskriminierende Position in den Ohren Betroffener? Für sich fordert Herr Steigerwald das Menschenrecht der freien Meinungsäußerung, während er Minderheiten durch Beschuldigung und Herabsetzung niedermacht. Schon die Wortwahl „Propagandisten der sexuellen Vielfalt“ suggeriert, jeder könne sich seine sexuelle Disposition neben der nach Steigerwald „normalen“ Sexualität aussuchen. Was für ein armseliger Begriff von Schöpfung, Sexualität und Normalität im Namen des Christentums.

Was bedeutet das für Eltern, die ihre Kinder lieben, wenn diese sich zu Menschen des gleichen Geschlechts hingezogen fühlen? Müssen sie nun in ihrer Erziehung vermitteln, dass ihre Söhne und Töchter deshalb minderwertig sind?

Ist sich Herr Steigerwald eigentlich im Klaren, dass solche Positionen in den Bereich der geistigen Brandstiftung gehören? Was an einer solchen Einstellung noch christlich geschweige denn menschlich sein soll, leuchtet mir nicht ein. Es ist doch hinreichend bekannt, wie im Dritten Reich mit solchen „Fehlentwicklungen“ umgegangen wurde. Wir leben im 21. Jahrhundert, aber manche scheinen dort noch nicht angekommen zu sein. Für mich ist das zentrale Gebot der Bibel das Liebesgebot. Jesus hat aber keine Erst- oder Zweitklassenschöpfungen gepredigt oder gleichgeschlechtliche Liebe verurteilt. Zu den zahlreichen Missbrauchsfällen und anderen Verfehlungen in seiner ach so perfekten Kirche kam bisher kein Leserbrief von Herrn Steigerwald, oder habe ich einen solchen vielleicht übersehen?

Wenn es nach Herrn Steigerwald ginge, hätten wir vermutlich heute noch keine Verpartnerungsmöglichkeit, sondern zahlreiche Mitmenschen müssten am Katzentisch für „Fehlentwickelte“ sitzen. Gott sei Dank ist unsere Gesellschaft weiter, und mit dieser Lieblosigkeit und überheblichen Art stellt er sich mit seiner Kirche ins Abseits, die schon mit einer Segnung gleichgeschlechtlicher Paare ihre Probleme hat. An dieser beschämenden pharisäerhaften Deutungshoheit eines ehemaligen Religionslehrers dürften homophobe Machthaber wie Putin und religiöse Fundamentalisten, die die „Fehlentwickelten“ oft gnadenlos verfolgen, ihre helle Freude haben.

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