Leserbriefe

In Afghanistan war ich drei Jahre zu Hause

Gabriele Klink, Nürtingen. Zum Artikel „Ein Schwabe in Afghanistan“ vom 19. Februar. Drei Jahre lang habe ich in der afghanischen Hauptstadt Kabul an der deutschen Botschaftsschule als Pädagogin gearbeitet, doch das ist schon lange her. Afghanistan, das braune Land, im Herzen Asiens gelegen, ist fast doppelt so groß wie Deutschland und hatte damals geschätzte 20 Millionen Einwohner. Von meinem Fenster aus begrüßte mich jeden Morgen der wilde, majestätische, 700 Kilometer lange Ausläufer des Hindukusch, die Wasserscheide zwischen den mächtigen Flüssen Indus und Amu Darya.

Afghanistan, das weit zerklüftete Bergland mit grünen Tälern, kleinen Dörfern aus Lehmhütten, ein Land, das eher lebensfeindlich wirkt, denn nur zwölf Prozent des Landes sind fruchtbares Ackerland und neun Prozent Weideland. Afghanistan, ein Vielvölkerstaat, ein Männerstaat, mit der Maxime: „Frage nicht, glaube.“ Die Landeshauptstadt Kabul, am Fuße des mächtigen Hindukusch auf 1200 Meter Höhe gelegen, hatte nicht nur eine Universität und die Nedjat Oberschule, sondern auch die deutsche Botschaftsschule, an der ich drei Jahre lang arbeitete. Masar e Sharif, im Norden des Landes, damals ein berühmter Wallfahrtsort, beherbergt heute rund 5000 Soldaten, die unter seiner jadegrünen Fayence-Moschee aus dem 15. Jahrhundert ihre schwierige Mission erfüllen. Das Land, ein „Schatzkästchen“, umschlossen von vielen Ländern im Herzen Asiens, wo zottige Kamelkarawanen durch den Schnee stapfen, Esel die schwer beladenen zweirädrigen Karren ziehen, die braunen Lehmhäuser sich wie Schwalbennester an die braunen Berge schmiegen, und das bunte, lebhafte Treiben der Basare begeisterte, dort war ich drei Jahre lang zu Hause.

Kurz nach Vertragsende wurde der damalige König Zahir Schah in einem unblutigen Staatsstreich gestürzt, sechs Jahre später marschierten die Russen ein und 1994 führten die Taliban die stolzen und freiheitsliebenden Afghanen in den blutigen Bürgerkrieg, bis 2002 die USA den Krieg gegen diesen Terrorismus eröffneten. Wie viel blutige Schlachten und Kriege suchten das Land in seiner Geschichte immer wieder heim, erfolglos, denn das Land wurde nie besiegt. Zahlreiche Gedenktafeln durchziehen den Khyberpass nach Pakistan. Heute erfahren wir nur wenig über dieses Land, das Leid seiner Menschen, wir lernen Afghanistan als zerstörtes „Krisen- und Kriegsgebiet“ kennen und so wird es in unserem Gedächtnis haften bleiben.

Doch diesem Land mit seinen offenen, freundlichen Menschen fühle ich mich noch heute sehr verbunden. Heute kann ich nur noch in alten Fotoalben blättern oder meine farbenfrohen Dias bestaunen. Sie sind eine Liebeserklärung an ein fernes, braunes Land, das meinem Herzen sehr nahestand und steht und wo ich eine beeindruckende Zeit meines Lebens sehr glücklich sein durfte.

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