Leserbriefe

Erzieher lassen viel zu viel mit sich machen

Nicole Reise, Nürtingen. Zum Artikel „Kita-Notstand spitzt sich zu“ vom 11. März.

Ja, als ich vor 20 Jahren meine Ausbildung zur staatlich anerkannten Erzieherin absolviert habe, wurde uns dieses Szenario vorhergesagt. Es würde viel zu wenig Erzieherinnen geben! Zwanzig Jahre sind seither verstrichen und nichts wurde unternommen, um den Beruf attraktiver zu gestalten. Im Gegenteil!

Ich habe den Beruf erlernt, weil ich gerne mit Kindern spiele, ihnen etwas vorlese, die Natur nahe bringen möchte, mit ihnen gerne bastle, turne und experimentiere. Mittlerweile kommen wir gar nicht mehr dazu unseren eigentlichen Job zu machen, da wir ständig beschäftigt sind, irgendwelche Beobachtungsbögen und Portfolios auszufüllen, um ja jedes Defizit der Kinder aufzudecken und für die Nachwelt festzuhalten. Ebenso ist der Zahltag auch nicht gerade berauschend und oh weh, die 40-Stunden-Woche gibt es tatsächlich auch bei uns.

Wir Erzieher lassen einfach viel zu viel mit uns machen, anstatt, dass wir einfach mal sagen, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo doch noch die letzte Power her.

Eine gute Frage ist auch, warum hat der Kindergarten kaum Schließtage und nicht Ferien wie die Schule? Ich denke dadurch würde der Beruf deutlich attraktiver werden, aber nein. Das Land muss ja die Gesetze ändern, dass noch mehr ungelerntes Personal eingesetzt werden kann und der Erzieher noch mehr Arbeit aufgebrummt bekommt, da er jetzt auch noch den Ausbilder für Nichtfachkräfte spielen kann. Nur zur Erinnerung: die Erzieherausbildung dauert vier Jahre, ein Jahr länger als alle anderen Ausbildungsberufe. Wo bleibt da die Zeit fürs Kind?, frage ich mich, wenn man ständig ein Auge auf und lauter Besprechungen mit dem ungelernten Personal hat. Aber es sind ja nur Kinder und mit denen kann es ja jeder irgendwie. Nein, eben nicht! Genau deshalb bin nicht mehr im Kindergarten tätig und ich bin bestimmt nicht die Einzige, die gerne in den Beruf zurückkommen würde, wenn sich grundlegende Dinge stark ändern würden.

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