Leserbriefe

Entschuldigung für die Miesepeter!

Dr. Frank Lebsanft, Unterensingen. Zum Leserbrief „Ein Wort an die nächste Generation“ vom 27. Juli.

In der Corona-Zeit haben wir uns in Deutschland viel um die Älteren unserer Gesellschaft und die sogenannten vulnerablen Gruppen gekümmert und gerne Rücksicht genommen. Wir haben die Leistung aller Mitarbeiter im Gesundheitswesen anerkannt und versucht, unseren Dank für deren Leistung auszudrücken. Aber haben wir in der Zeit nicht auch all die vergessen, denen die sozialen Kontakte und die unbefangene Schulzeit über zwei Jahre genommen worden sind?

Eine Generation, die sich im Übrigen in der ganzen Corona-Zeit nie beschwert hat. Trotz täglichem Online-Unterricht, trotz zig ausgefallener Stunden, trotz Wegfall aller Klassenausfahrten, trotz dem Entfallen jeglicher Discobesuche und allem was die letzten Schul- oder Studiumjahre halt so – außer Schule und Vorlesungen – ausmacht. Diese Generation hat sich auch nicht wie andere vor ihr (zum Beispiel die 68er) aufgelehnt gegen die Vorgaben unserer Gesellschaft, in diesem Fall die Einschränkungen wegen Corona. Diese Generation hat sich absolut vernünftig und vorbildlich verhalten! Und wurde ihr dafür bisher gedankt?

Muss sich ein MPG-Abschlussjahrgang, der trotz Corona-Unterricht einen unglaublichen Gesamtdurchschnitt von 2,0 erringt, der die halbe Bühne bei einem gelungenen Abiball mit Preisträgern und Belobigten füllt, der einen tollen Abischerz organisiert, bei dem alle friedlich und zusammen mit der Lehrerschaft auf dem Schulhof feiern, dafür entschuldigen, dass er nach 700 Tagen Online-Unterricht an einem einzigen Tag zweimal mit einem Autokorso friedlich und gewaltfrei um das Schulhaus fährt? Ich meine nein.

Wir sollten stolz sein auf diese Generation. Ich entschuldige mich gerne bei der Generation unserer Kinder für alle Miesepeter meiner Generation, die sich ganz offensichtlich als Pseudomoralapostel besser gefallen denn als stolze Eltern. Gut, dass unsere Kinder ihr Leben und ihre Zukunft mit Augenmaß, Umsicht und Rücksicht angehen und sich eben nicht über Effekthaschereien und hochgehaltene Zeigefinger definieren. Wir sollten uns daher ein Vorbild an ihnen nehmen und ihnen nicht noch das bisschen Spaß am letzten Schultag nehmen wollen.

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