Leserbriefe

Der Krieg in der Ukraine und wir

Peter Reinhardt, Neckartenzlingen. Zum Leserbrief „Bündnis China–Russland und Boykott-Vakuum“ vom 29. September.

Glaubt wirklich jemand den russischen Behauptungen, die NATO würde irgendwann das mit Atomwaffen bestückte Russland angreifen wollen? Hält es jemand wirklich für möglich, dass die Staaten, die der NATO freiwillig beigetreten sind, das taten, um Russland anzugreifen? Sie haben alle sehr schlechte Erfahrungen mit der russischen Militärmacht hinter sich, sie wollen keine Wiederholung. Und ist denn vergessen, dass Russland unter Putin mehrere Staaten mit überaus fadenscheinigen Begründungen angegriffen und ziemlich zerstört hat? Kann man einem putinhörigen Russland mehr vertrauen als der vielleicht auch nicht immer optimalen NATO? Ist das Gefühl Putins, bedroht zu sein – ob es echt ist oder nur Propaganda –, ein Grund für einen brutalen Überfall dieser Art? Und: darf man ein nicht ganz fehlerfreies Land wie die Ukraine, einfach weil man selber Atomwaffen hat, überfallen und verlangen, dass der Rest der Welt „in Frieden“ zusieht?

Natürlich ist Frieden ein sehr hohes Gut und ich achte alle, die sich für Frieden einsetzen, sehr. Aber darf man einem Gewaltherrscher zusehen, der nach und nach Nachbarstaaten überfällt, solange man – noch - nicht selber betroffen ist? Putin-Russland als Hort von Frieden und Freiheit? Und der Westen mit Amerika ein Hort des Unrechts und der Gewalt? Das darf man doch wohl „Unsinn“ nennen – bei aller Fehlerhaftigkeit alles Irdischen. Die haarsträubenden Lügengeschichten der russischen Propaganda – eine fast göttliche Wahrheitsquelle? Nanu! Ich würde Putin/Lawrow zu den größten Lügenbaronen der Geschichte zählen – ein Titel, der bisher Goebbels zustand.

Und die Behauptung, dass der Westen keine Friedensgespräche will? Wie oft waren westliche Regierungen in Moskau und haben um Frieden gerungen? Ziemlich oft. Und: die jetzt so umstrittene Gasleitung, was war sie anderes als ein Friedensangebot. Putins Friedensangebote? Nur zu seinen Bedingungen: Unterwerfung unter seine Herrschaft. Das ist sehr unangenehm zu denken – aber ist es nicht wahr?

Kriege sind furchtbar – ich weiß noch, wovon ich rede – aber waren zum Beispiel die Eintritte von England, Frankreich und dann der USA in den Zweiten Weltkrieg gegen Hitlerdeutschland kriegslüstern? Oder waren sie bitter notwendig? Notwendig zur Befreiung Europas von der deutschen Naziherrschaft? Ein sehr blutiger Krieg.

Und: dass unsere Hilfen für die Ukraine auch Beschwernisse für uns mit sich bringen, ist das nicht klar? So bitter das sein mag. Was sonst? Glaubt jemand, dass das Klagen gegen die eigene Regierung, gegen „den Westen“ – wo lebt es sich besser als bei uns? – irgendetwas verbessert? Oder gar zum Frieden mit Putin beiträgt?

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