Leserbriefe

Der Kalte Krieg geht in die nächste Runde

Dr. Johannes Heimann, Nürtingen. Zum Artikel „NATO wappnet sich für Kriege im Weltraum“ vom 20. November. Der Bericht über einen Beschluss der NATO-Führung, das All zu einem eigenständigen Operationsgebiet zu erklären. Vor Kurzem äußerte der französische Präsident die Meinung, die NATO sei „hirntot“. Oh hätte er nur recht: dann wäre die NATO ja tot. Aber so ist es viel schlimmer: sie ist verrückt. Verrückt darin, dass sie schon seit Langem kein defensives Bündnis mehr ist, sondern immer aggressiver agiert.

1989 hatte man im Rahmen der Zwei-plus-Vier-Gespräche und der Wiedervereinigung Deutschlands dem damaligen russischen Präsidenten Gorbatschow versprochen, die NATO nicht weiter nach Osten zu erweitern, falls er dem zustimme, dass das Gebiet der ehemaligen DDR dann zur NATO gehöre. Seitdem wurde dieses Versprechen mit der Aufnahme von dreizehn Ländern dreizehn Mal gebrochen!

Auf Betreiben der USA sollten auch Georgien und die Ukraine in die NATO aufgenommen werden. Alle seit Ende des ersten Kalten Krieges durchgeführten NATO-Einsätze erfolgten außerhalb ihres Territoriums und verstießen gegen das Völkerrecht. Als die Militärpräsenz in den an Russland grenzenden NATO-Staaten erhöht wurde und dort Überwachungssysteme installiert wurden, die angeblich dem Schutz vor iranischen (!) Raketen dienten, bezeichnete der NATO-Generalsekretär Stoltenberg dies als defensiv – schließlich seien ja nur Abwehrraketen installiert worden.

Fachleute sind sich einig, dass diese nur einen Zweck haben: die mögliche nukleare Zweitschlagkapazität Russlands zu reduzieren oder auszuschalten. Der jetzige Beschluss, den Weltraum in das Aktionsfeld der NATO mit einzubeziehen, geht genau in diese Richtung. Erinnern wir uns: Der Erste Kalte Krieg blieb deshalb kalt, weil jeder wusste: Wer zuerst auf den roten Knopf drückt, stirbt als Zweiter. Im Zweiten Kalten Krieg soll das wohl anders sein. Und: In ihren Statuten behält sich die NATO die Option eines nuklearen Erstschlags vor.

Seit 1989 habe ich keinerlei Angst mehr vor einer Bedrohung aus dem Osten. Dagegen vor der NATO. Warum wurde diese nicht zusammen mit dem Warschauer Pakt 1991 aufgelöst? Aber sie ist ja so ein wunderbares Instrument, mit dem die USA ihre Interessen in Europa durchsetzen können. Und in allen deutschen Parteien gibt es genügend willfährige „Transatlantiker“, die nicht verstehen: Die Interessen Europas sind von denen der USA grundverschieden.

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