Leserbriefe

Auch beim Vesper wird gespart

Reinmar Wipper, Nürtingen. Zum Artikel „Kritik an Fassanstich zum Maientagsstart“ vom 20. Mai. Warum soll ein Mann etwas gegen Fassanstiche haben? Und erst recht am Maientag? Als Mann aus Nürtingen finde ich es aber verkehrt, wenn der Oberbürgermeister das Fass-Anstechen zu einem Maientagsritual hochlobt und damit sogar den Maientag eröffnen will. Neuerdings. Der Maientag ist aber kein Neuerdings. Er hat seine Tradition, ob das neuerdings passt oder nicht. Und das werde ich einfordern solange ich lebe.

Nichts gegen Bierzelte, Rummel und Anmachmusik. Mein erster Weg nach dem Festzug führt mich mitsamt der Familie ins Zelt zum kühlen Festbier und der heißen Festwurst. Seit einem halben Jahrhundert. Aber das ist Beiwerk. Der Maientag ist das Fest der Nürtinger Familien, der Kinder – und der Stadtväter.

Als Mitglied der Letzteren habe ich dazu meinen Mund aufgemacht, und ergänzt gesagt, ich würde mich so lange zu Wort melden, wie jemand glaube, den Maientag nach seinem Bilde schnitzen zu können. Zum Maientag gehört als Beginn das Maiensingen der Schulkinder und nicht das Fassanstechen der Volksfestler. Und danach das gemeinsame Vesper von Stadtvätern und Lehrern, ein Akt gegenseitigen Respekts und der Anerkennung. Da wird aber ohne Not gespart und geklemmt, sodass man sich schämen muss.

In jeder Sitzung ist das Vesper üppiger. Zwölf Stadträte des Kulturausschusses und die unermüdlichen Maientagslehrer sind geladen. Alle anderen sind Selbstzahler. Und das zweite Getränk holt man sich bittschön selber an der Kasse. Im selben Atemzug werden im Rathaus riesige Summen durchgewinkt, die sich keiner vorstellen kann.

Im Zeitungsbericht sind meine kritischen Worte meinem Kollegen Rauscher in den Mund gelegt worden. Das ist nicht weiter schlimm. Wir sind uns ja einig. Vielleicht auch hat die Berichterstatterin gemeint, beim Kollegen Rauscher komme es eh nicht mehr drauf an. Ich lege jedoch Wert darauf, dass auch ich in diesem Fall zu den Polterern gehöre. Und zwar mit erhobenem Haupt. Und so lange, bis es nicht mehr nötig sein wird. Und das tät ich gerne noch erleben, so Gott will.

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