Nürtingen

Anfangen, die richtigen Fragen zu stellen

Christoph Röcker, Nürtingen. Zum Artikel „Stadt zeigt sich offen für Ideen“ vom 8. Juli.

Wenn als Baubeginn in der Bahnstadt Ende 2026 vorgesehen ist, ist das die Absage der Teilnahme an der IBA’27. Damit wäre nun ein guter Zeitpunkt, den längst überfälligen Diskurs über Missmanagement bei Bauvorhaben der Stadt Nürtingen zu führen. Das B in IBA steht für Bau und nicht für Bauplan oder Bauzaun. Also ein guter Zeitpunkt darüber nachzudenken, was man da kurz nach Baubeginn für ein inter­nationales Fach- und Lachpublikum ausstellen will. Bagger?

Vollzieht man die Entwicklung der „Riesenchance Bahnstadt“ nach, erscheint es höchste Zeit, einige unter längst überholten Annahmen und stark politisiertem Zeitdruck getroffene Entscheidungen zu überdenken. Wer nur eine Meinung zu den als „Erfolg“ präsentierten „Ergebnissen“ hat, mag meinen Einwurf renitent oder respektlos empfinden. Wer sich die Mühe macht, die einzelnen „Entscheidungen“ aufzuarbeiten, weiß was ich mit „Ergebnisoptimierung durch Erwartungsreduktion“ meine. Was ist denn aus den von den Stadtentwicklern gesetzten „Erwartungen“ zu den großen Zukunftsthemen geworden? Und wo sind die in der Bürgerbeteiligung eingesammelten „Ideen“ abgeblieben?

Das Interessante an einem „Ergebnis“ ist nicht, was man sieht. Interessant ist, was man nicht sieht, ohne dass „entschieden“ wurde, dass man es doch nicht will. Das Auge des Unternehmensberaters kann unter dem „Riesenberg Enttäuschungen“ bei Bürgerinnen und Bürgern ohne Weiteres auch in der verwaltungs­wissenschaftlichen Literatur beschriebene Standard-Pathologien arbeitsteiliger Organisationen erkennen. Vergleich etwa Wolfgang Seibel: Collapsing Structures and Public Mismanagement, Seite zwei ff. Der Perspektivwechsel lohnt sich. Es müssen ja nicht gleich einstürzende Eissporthallen oder andere unübersehbare „Verwaltungskatastrophen“ sein, für die sich der Konstanzer Verwaltungswissenschaftler interessiert. Wir müssen aufhören so zu tun, als ob Abstriche wegen selbst vermurkster Rahmenbedingungen (Hochwasserdamm, Gleis 13), verdrängte Zusammenhänge (Barriere­freiheit, Demografie, et cetera) und verpasste Zukunftschancen (Klimaneutralität, Klimaanpassung, et cetera) unvermeidbare „Verwaltungspossen“ wären. Die Ursachen sind die gleichen. Um nicht dumm dazustehen, sollten wir dem zukünftigen IBA-Publikum zuvorkommen und anfangen, miteinander die richtigen Fragen zu stellen: Wieso, weshalb, warum? Gute Idee?

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