Fachthemen und Expertenwissen
Bluthochdruck im Alter: Das sagt Chefarzt Herdeg von der Medius-Klinik in Ostfildern-Ruit
Wie weit sollte der Blutdruck gesenkt werden? Professor Dr. Christian Herdeg, Chefarzt der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen an der Medius-Klinik Ostfildern-Ruit, empfiehlt eine individuell angepasste Therapie.
Ein dauerhaft erhöhter Blutdruck kann schwerwiegende Folgen haben – er erhöht das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder Nierenschäden erheblich. Daher wird eine Senkung des Blutdrucks als essenziell angesehen, um gesundheitliche Komplikationen zu vermeiden. Doch wie weit sollte der Blutdruck im hohen Alter gesenkt werden? Diese Frage sorgt seit Jahren für Diskussionen, denn blutdrucksenkende Medikamente können nicht nur positive Effekte haben, sondern auch Nebenwirkungen mit sich bringen.
Während bei jüngeren Menschen die Vorbeugung langfristiger Schäden im Vordergrund steht, verändert sich die Risikobewertung bei hochbetagten und gebrechlichen Personen. Ein zu stark gesenkter Blutdruck kann bei dieser Patientengruppe zu Schwindel und einem erhöhten Sturzrisiko führen. Zudem nehmen viele alte Patienten mehrere Medikamente gleichzeitig ein – eine intensive Blutdrucksenkung könnte die Medikamentenbelastung weiter erhöhen und die Gefahr von Wechselwirkungen steigern.
Die Herausforderung besteht also darin, eine Blutdrucktherapie zu finden, die sowohl das Risiko für Folgeerkrankungen reduziert als auch die Lebensqualität erhält. Doch welche Werte sind für diese Patientengruppe optimal? Wissenschaftliche Studien liefern hierzu unterschiedliche Ergebnisse und unterstreichen die Bedeutung einer individuellen Behandlung.
Wichtige Erkenntnisse aus aktuellen Studien
Jüngste wissenschaftliche Untersuchungen zeigen, dass eine strengere Blutdruckkontrolle das Risiko für Schlaganfälle und Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich senken kann – auch bei älteren Menschen. Eine Analyse der Cochrane Collaboration kommt zu dem Schluss, dass viele Patientinnen und Patienten im höheren Lebensalter von einer Senkung des systolischen Blutdrucks auf Werte unter 140 mmHg profitieren.
Allerdings gilt es, bei hochbetagten und gebrechlichen Personen besonders vorsichtig zu sein. Zu niedrige Blutdruckwerte können hier das Risiko für Schwindel, Stürze oder eine Beeinträchtigung der Nierenfunktion erhöhen.
Einige Leitlinien empfehlen für Menschen über 65 Jahren ein Blutdruckziel von unter 140/90 mmHg. Andere wiederum halten bei über 60-Jährigen systolische Werte bis zu 150 mmHg für akzeptabel – insbesondere dann, wenn eine aggressive Therapie mit erhöhtem Nebenwirkungsrisiko verbunden wäre. Entscheidend ist dabei nicht allein das Alter, sondern vor allem der funktionelle Zustand der Patientin oder des Patienten.
Expertenmeinung: Eine individuelle Therapie ist entscheidend
Professor Dr. Christian Herdeg, Chefarzt der Klinik für Herz- und Kreislauferkrankungen an der Medius-Klinik Ostfildern-Ruit, unterstreicht die Notwendigkeit einer individuell angepassten Blutdrucktherapie:
„Die Behandlung von Bluthochdruck im höheren Lebensalter darf nicht pauschal erfolgen. Während fitte Seniorinnen und Senioren von einer konsequenten Blutdrucksenkung profitieren, muss bei alten, gebrechlichen Patienten mit erhöhter Sturzgefahr und Multimorbidität sehr sorgfältig abgewogen werden. Eine zu starke Senkung kann dann mehr Schaden als Nutzen bringen.“
Der Chefarzt betont zudem, dass neben medikamentösen Ansätzen auch Lebensstiländerungen eine zentrale Rolle spielen: „Regelmäßige Bewegung, eine ausgewogene Ernährung mit wenig Salz und Alkohol sowie Stressreduktion können den Blutdruck auf natürliche Weise positiv beeinflussen. In vielen Fällen lässt sich die Medikation durch eine gesunde Lebensweise sogar reduzieren.“
Wie sollte die Blutdrucktherapie gestaltet werden?
Die optimale Blutdruckeinstellung hängt von verschiedenen Faktoren ab – nicht nur vom Alter, sondern insbesondere vom allgemeinen Gesundheitszustand, der körperlichen Belastbarkeit und dem individuellen Risikoprofil.
Empfehlungen für eine sichere Blutdrucktherapie:
• Eine schrittweise Senkung des Blutdrucks, um Nebenwirkungen zu vermeiden.
• Regelmäßige ärztliche Kontrollen zur Anpassung der Medikation.
• Vermeidung von zu niedrigen Blutdruckwerten, insbesondere bei gebrechlichen oder hochaltrigen Patienten.
• Ergänzung der medikamentösen Therapie durch eine gesunde Lebensweise.
Fazit: Maßvolle Blutdrucksenkung mit Blick auf den ganzen Menschen.
Die aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisse und die klinische Erfahrung zeigen: Eine pauschale Zurückhaltung bei der Blutdrucksenkung im Alter ist nicht gerechtfertigt. Auch ältere, kranke Patientinnen und Patienten können von einer konsequenten Blutdruckeinstellung profitieren – oft sogar in besonderem Maße.
Gleichzeitig braucht es ein sensibles Vorgehen bei alten und gebrechlichen Menschen, um Übertherapie und Nebenwirkungen zu vermeiden.
„Unser Ziel ist nicht nur ein optimaler Blutdruckwert auf dem Papier, sondern eine bestmögliche Lebensqualität für unsere Patientinnen und Patienten“, fasst Herdeg zusammen.
Zudem sollten Patientinnen und Patienten regelmäßig das Gespräch mit ihrer Hausärztin oder ihrem Hausarzt suchen, um die Therapie an ihre persönlichen Bedürfnisse anzupassen.
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