Leserbriefe

Älteste deutsche Universität

Dr. Rolf Kosiek, Nürtingen. Zum Artikel „Zwei Heidelberger feiern ihre Universität“ vom 27. Juni. In der Bildunterschrift heißt es, dass die Festwoche in Heidelberg „an die Gründung der ältesten Hochschule Deutschlands 1386 erinnert“. Das könnte den Eindruck erwecken, dass Heidelberg die älteste deutsche Universität sei. Dem ist aber nicht so, denn schon rund 40 Jahre vorher hatte im Jahre 1348 Karl IV., Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation, in Prag, das er zu seiner Hauptstadt gemacht hatte, die Karlsuniversität gegründet, die schnell hohes Ansehen erwarb.

Ihre Professoren und Studenten waren in vier „Nationen“ eingeteilt: die böhmische, bayerische, sächsische und polnische, die jeweils mehrheitlich Deutsche waren. Die Universität war eine Hochschule für das ganze Reich, keine Landesuniversität.

Auf Drängen des Reformators Hus erließ Karls IV. Nachfolger König Wenzel am 18. Januar 1409 die Kuttenberger Dekrete, nach denen die böhmische Nation drei Stimmen, die anderen drei zusammen nur eine Stimme bei der Verwaltung der Hochschule haben sollten und der deutsche Rektor zum Rücktritt gezwungen wurde. Hus jubelte von der Kanzel: „Kinder, gelobt sei der allmächtige Gott, dass wir die Deutschen ausgeschlossen haben.“ Daraufhin zogen die deutschen Studenten und Magister nach Leipzig aus und gründeten noch 1409 die dortige Universität.

Unter den Habsburgern wurde die Prager Universität wieder eine deutsche Hochschule, an der die meisten Lehrenden und Studenten Deutsche waren und an der nach dem Rückgang des Lateinischen in deutscher Sprache gelehrt wurde. Erst 1848 kamen vermehrt Vorlesungen in tschechischer Sprache hinzu.

Durch ein kaiserliches Dekret wurde die Prager Universität am 11. April 1881 in eine deutsche und eine tschechische geteilt. In dem Universitätsgesetz von 1882 wurde praktisch eine tschechische Universität gegründet. Nach der Niederlage im Ersten Weltkrieg wurde am 30. Oktober 1918 von einer tschechischen Abordnung vom deutschen Rektor die Herausgabe der Schlüssel vom Archiv mit den wertvollen Urkunden und den Insignien gefordert und nach dessen Weigerung ihm mit Gewalt abgenommen. Im Universitätsgesetz vom 19. Februar 1920 wurde die tschechische Universität zur alleinigen Nachfolgerin der 1348 gegründeten Hochschule erklärt. Damit war das Schicksal der ältesten deutschen Universität besiegelt.

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