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Warum das Schulleben nicht das beste ist

. . . und was man dagegen tun könnte – Eine Gymnasiastin wirft einen kritischen Blick

Ein sicherlich gestelltes Bild: Schüler haben unter schlechten Noten zu leiden.

Die Neuntklässlerin Anna Göhler vom Hölderlin-Gymnasium Nürtingen hat sich Gedanken über die Schule gemacht:

Annas Tagesablauf – sie ist in der neunten Klasse an einem baden-württembergischen Gymnasium – besteht weitestgehend aus stundenlangem Lernen, häufig sogar bis in den späten Abend. Dadurch bleibt wenig Freizeit für andere Aktivitäten wie zum Beispiel Freunde treffen oder sonstige Hobbys. Auch verzichtet Anna des Öfteren auf Verabredungen, denn die Schule ist ihr sehr wichtig.

So geht es nicht nur Anna, sondern auch tausenden anderer Schülern in Baden-Württemberg. Somit bringt das Schulleben allerlei Probleme mit sich wie zum Beispiel Überforderung, Überlastung und in manchen Fällen sogar Depressionen. Natürlich ist das Schulleben in Deutschland im Gegensatz zu anderen Ländern eher positiv zu sehen. Zum Beispiel hat jeder das Recht auf Bildung. Doch das beste Schulsystem ist es noch lange nicht, es gibt einiges, das man verbessern könnte.

Das fängt schon beim Unterrichtsbeginn an den Schulen an. In der Pubertät verschiebt sich die innere Uhr nach hinten, das heißt, dass die Jugendlichen immer später ins Bett gehen, aber immer noch am Morgen früh aufstehen müssen. Dadurch entsteht ein gewaltiger Schlafmangel, der bekanntermaßen zu Übergewicht, Depressionen und anderem führen kann. Im Grunde heißt das, dass die Jugendlichen in ihrer biologischen Nacht im Unterricht sitzen müssen und versuchen, Mathe oder ähnlich Anspruchsvolles zu lernen.

Selbst wenn sie früher schlafen gehen würden, hält ihre biologische Uhr sie noch länger wach und sie würden erst später einschlafen. Die Kinder sind also morgens weniger lernfähig, als sie zu späteren Uhrzeiten wären. Müdigkeit bei einer Prüfung morgens um 7.45 Uhr führt mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit zu schlechteren Noten.

Dadurch kann keine verlässliche Aussage über die wirkliche Schulleistung gemacht werden. Biologische Faktoren dürfen die Noten nicht beeinflussen. Viele Wissenschaftler und Studien raten daher schon seit Längerem zu einem späteren Unterrichtsbeginn. Dies habe drei signifikante Vorteile: längerer Schlaf, bessere Noten und ein gerechteres Schulleben.

Auch sehr kritisch ist, dass die Schulzeit in sehr jungen Jahren beginnt, denn das ist die Entwicklungsphase, in der die Kinder vor allem auch ihre Persönlichkeit entwickeln. Dafür brauchen sie Zeit, die ihnen zum jetzigen Zeitpunkt mit unserem heutigen Schulleben nur sehr eingeschränkt gegeben wird.

Des Weiteren können die Kinder Wissen nicht entwickeln oder abspeichern, wenn das Schulleben unter Zeitdruck stattfindet. Dieser Zeitdruck kommt zustande, weil der Schulstoff durch das G8 zu sehr verdichtet wurde: was bis vor einigen Jahren noch in neun Jahren gelernt werden konnte, muss jetzt in acht Jahren in die Köpfe gepaukt werden. Ein weiteres Problem ist, dass der Fokus in der Schule überwiegend auf der Entwicklung von oftmals isolierten Kompetenzen anstatt von vernetzten Fähigkeiten gelegt wird.

Auch die Einstellung der Kinder, die durch das Schulleben verursacht wird, muss verändert werden. Ein Großteil der Kinder geht zur Schule, weil sie dazu gezwungen sind. Dabei sollten eher Freude und Neugier gefördert werden.

Außerdem gilt momentan noch: „Die einen unterrichten Kinder, die anderen Fächer. So darf es nicht sein!“ Die Kinder sind immer noch Menschen. Man muss eine gesunde Mitte zwischen „Kinder unterrichten“ und „Fächer unterrichten“ finden. Das kann man durch eine Bildungseinrichtung erreichen, die zuallererst auf das Wohlbefinden der Kinder achtet.

Auch die Benotung in der Schule ist sehr umstritten. Lehrer benoten gleiche Leistung höchst unterschiedlich, darin sind sich die Experten letztendlich einig. Die Noten täuschen eine Objektivität vor, die oft absolut nicht vorliegt. Es gibt Studien, die in wissenschaftlichen Versuchen gezeigt haben, dass der gleiche Deutschaufsatz von manchen Lehrern mit einer Eins bewertet wird, von anderen mit einer Fünf. Das liegt daran, dass Lehrer auf unterschiedliche Aspekte Wert legen, aber ist das auch immer transparent?

Durch den Vergleich mit anderen Schülern kommt es auch oft vor, dass Kinder Minderwertigkeitsgefühle entwickeln und sich somit irgendwann selbst aufgeben. Dabei sagen Noten oftmals gar nichts über die Intelligenz eines Menschen aus. Prinzipiell kann man sogar sagen, dass die Benotung an sich schon nicht gut ist, weil viele Schüler unter Druck nicht das leisten, was sie eigentlich könnten. Natürlich gibt es Schüler, die unter Druck besser lernen können, als wenn man ihnen überlasst, wann oder ob überhaupt sie das tun.

Trotzdem handelt es sich um ein viel größeres Problem für die Schüler, die mit dem Druck absolut nicht klarkommen. Es ist wichtig, dass die Jugendlichen trotz G8 wieder mehr Freizeit haben, um sich zum Beispiel gerade jetzt in der Weihnachtszeit mit ihren Freunden auf dem Weihnachtsmarkt zu treffen. Durch weniger Druck würden die Jugendlichen ihre Schulzeit entspannter und mit mehr Wohlbefinden durchleben.

Insgesamt ist das Schulleben also noch nicht das Beste, weil es sich noch in vielen Bereichen verbessern könnte, was uns allen guttäte und zu besseren Leistungen führen würde.

Jetzt lässt sich natürlich die Frage stellen, ob und wann sich in den nächsten Jahren etwas verändern wird. Das Mörike-Gymnasium in Esslingen ist uns da schon einen Schritt voraus. Bei ihnen beginnt der Unterricht bereits zu einer späteren Uhrzeit, um mehr Rücksicht auf die innere Uhr der Schüler zu nehmen, was sich in einem Schulversuch bewährt hat. Das wäre doch an Nürtinger Schulen auch mal einen Versuch wert.

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