Professor Dr. Eberhard Roos, Nürtingen. Offensichtlich soll in einer der nächsten Gemeinderatssitzungen beschlossen werden, das Grundstück am westlichen Neckarufer, einer der attraktivsten Orte Nürtingens, an einen Investor zu verkaufen, um dort ein Hotel zu bauen. Dagegen spricht zunächst nichts. Wenn ein Investor ein Hotel bauen möchte, ist das seine private Angelegenheit. Es ist aber keinesfalls eine private Angelegenheit, wenn der Platz voll erschlossen zu einem extremen Vorzugspreis von 310 Euro pro Quadratmeter von der Stadt verkauft wird. Wer hätte zu diesem Preis das Grundstück nicht auch gekauft? Für einen Hotelkomplex, der den Zugang zum Neckarufer drastisch einschränkt und von den Dimensionen absolut nicht in die Umgebung passt. Hinzu kommt eine Architektur, die an Trivialität nicht einmal einem Industriegebiet zur Zierde gereichen würde. Man fragt sich, weshalb sowohl Stadtverwaltung als auch die Mehrheit des Gemeinderates sich hartnäckig für dieses Vorhaben einsetzen, wo sind die Vorteile für die Stadt und die Bürger? Hierauf gab es bisher keine Antwort.
Vielleicht ist es deshalb besser, nicht zu fragen? Obwohl die Vorgeschichte Fragen geradezu herausfordert. Ende 2015 wurde ein Ideenwettbewerb „Westlicher Neckar“ abgeschlossen, der circa 240 000 Euro kostete und dessen erster Preis besonders wegen seiner zurückhaltenden Bebauung und dem freien Zugang zum Neckar gewürdigt wurde. Im ISEK-Projekt wurden in Zusammenarbeit mit den Bürgern Leitgedanken wie „Grüne Stadt am Neckar“ und so weiter entwickelt. Auch für diese Aktivität wurden circa 150 000€Euro aufgewendet. Diese rund 400 000€Euro sollen jetzt kommentarlos einem Investor geopfert werden.
Wenn man die Aktivitäten von Bürgern, Nürtinger Liste/Grüne und NT 14 in der Stadt verfolgte zeigte sich, dass die Bürgerschaft mit überwiegender Mehrheit diesen Hotelkomplex an dieser Stelle ablehnt. Dies dokumentierte sich auch an den Äußerungen der Bürger bei der Projektvorstellung im Juni in der Glashalle im Rathaus. Von der Stadtverwaltung wurde zugesagt, nach Änderungen der Planung eine weitere Informationsveranstaltung durchzuführen. Dies erfolgte bis heute nicht. Und warum soll der Platz so eilig verkauft werden? Fazit beziehungsweise was lernt man daraus: Bürgerbeteiligung in Nürtingen hat Alibifunktion, ohne jeden Einfluss auf Entscheidungen. Ideenwettbewerbe in Nürtingen sind Kostenträger, aber keine Grundlagen für eine zukunftsorientierte Stadtplanung. Eine bürgernahe, zukunftsorientierte Stadtplanung sieht anders aus, obwohl diese in Nürtingen besonders gefragt wäre. Empfehlung: Wenn die Bürgermeinung so gering eingeordnet wird, können gleich statt Ideen- Investorenwettbewerbe ausgeschrieben werden.