Licht der Hoffnung
„Wenn wir gemeinsam singen, ist das eine Wucht“
Licht der Hoffnung: Nürtingens neuapostolische Gemeinde feierte das 150-jährige Bestehen ihrer Kirche mit einem Benefizkonzert zu Gunsten unserer Aktion
„So ein Konzert hat es in dieser Kirche noch nie gegeben!“: Eberhard Koch, für den Bezirk Nürtingen zuständiger Bischof des neuapostolischen Kirchenbezirks Nürtingen, sprach das aus, was wohl alle, die die beeindruckenden eineinhalb Stunden am Sonntagabend miterlebten, dachten. Die Freude über den Advent vereinigte sich da mit tollen Leistungen aller Akteure.
NÜRTINGEN. Und mit der Hilfe für Menschen in Not: Denn der Erlös des Abends, an dem (wenn man Musiker, Sänger und Publikum zusammenrechnet) rund 1000 Menschen beteiligt waren, kommt unserer Aktion „Licht der Hoffnung“ zugute.
Das wunderschöne Miteinander hatte dabei quasi zwei Wurzeln: Die neuapostolische Kirche feiert in diesem Jahr ihr 150-jähriges Bestehen, und die Nürtinger Gemeinde dieser Glaubensgemeinschaft (selbst 105 Jahre alt) strebt die Aufnahme in die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in der Hölderlinstadt an. Also hatte man Ensembles aus den Reihen der anderen Mitgliedskirchen eingeladen.
Und allesamt ließen sie funkelnde musikalische Perlen aufblitzen. Ins Mittelalter entführte einen da zum Beispiel die Schola Gregoriana Nürtingen – unter der Leitung von Andreas Merkelbach erklang ein gregorianischer Introitus zum Zweiten Advent: „Volk von Zion, siehe der Herr wird kommen!“
Dieses Ensemble ist bei Nürtingens katholischer Kirchengemeinde angesiedelt – und auch der Kirchenchor von St. Johannes bereicherte (ebenfalls mit Merkelbach als Dirigent) das Konzert: mit Max Regers „Unserer lieben Frauen Traum“, Hans Rudolf Zöbeleys „Maria durch den Dornwald ging“ und Andreas Hammerschmidts „Machet die Tore weit“ führte er mit sechs- bis achtstimmigen Sätzen zur Vor-Freude über die Ankunft Christi hin.
Die Wärme des Advent spiegelte sich im Beitrag der „capella laurentiana“ der evangelischen Kirchengemeinde wider – sowohl „Ex Sion“ von Johann Gabriel Rheinberger als auch Johannes Eccards „Übers Gebirg Maria geht“ beeindruckten in der Interpretation des kleinen Chors durch ihre Innigkeit. Und Dirigentin Angelika Rau-Čulo ließ einmal mehr spüren, welch großartige Organistin sie ist – sei es nun bei Jeanne Demessieux’ „Rorate coeli“ oder bei Johann Sebastian Bachs „Wachet auf, ruft uns die Stimme“ ebenso wie (im Miteinander mit den neuapostolischen Chören) beim berühmten „Joy to the world“ faszinierte sie bei den leisen Tönen, ließ einen aber auch staunen, welche Kraft dieses Instrument zu entfalten vermag.
Musikalischer Botschafter der evangelisch-freikirchlichen Gemeinde (Baptisten) war das Duo „feeltönig“: Nicole Bronkal (Saxofon) und Lars Kannegießer (Gitarre) verliehen dem Abend eine jazzige Note: Das alte englische Weihnachtslied „God Rest Ye Merry Gentlemen“, der immer wieder zu Herzen gehende Hymnus „Amazing Grace“ und das Nachspiel zu „Joy to the world“ waren mehr als nur das Tüpfelchen aufs i, sondern machten durch die modernen Klänge den Abend zu einer runden, harmonischen Sache.
Beeindruckend waren auch die Beiträge der Gastgeber: Sowohl beim Männerchor des Kirchenbezirks unter Leitung von Ewald Gaiser (mit „So feierlich und stille“ und „Gelobt sei, der da kommt“) als auch beim gemischten Chor der Gemeinden Nürtingen und Reudern mit seinem Dirigenten Oliver Kern (mit „Advent ist es heut“ und eben „Joy to the world“) konnte man mehr als nur erahnen, welch reiches musikalisches Leben diese Gemeinde mitprägt.
Deren Vorsteher, Hirte Günther Schmohl, hatte sich schon zu Beginn „keinen schöneren Anlass zum Jubiläum unserer Kirche vorstellen können als dieses Konzert mit so vielen Gästen und für einen solch guten Zweck“. Und auch Michael Bayer, der durch den Abend führte, wies darauf hin, dass man mit dem Abend nicht nur das Jubiläum feiern, sondern auch Gutes tun wolle: „,Licht der Hoffnung ist ja schon lange als Stichwort in den Nürtinger Duden aufgenommen worden.“
Mit seinem „Glückwunsch zum Jubiläum und zur Idee dieses Konzerts“ verband Oberbürgermeister Otmar Heirich die Feststellung, dass die neuapostolische Gemeinde aus der Nürtinger Kirchenlandschaft nicht mehr wegzudenken sei: „Sie hat dort ihren festen Platz.“ Das Jubiläum lege auch Zeugnis von eineinhalb Jahrhunderten tätiger Nächstenliebe ab: „Dem Selbstverständnis der neuapostolischen Kirche entspricht es, Menschen in Not zu helfen.“ Das Gotteshaus in der Marienstraße sei Mittelpunkt eines sehr lebendigen Gemeindelebens und ein wesentlicher Bestandteil der Nürtinger Gemeindekultur.
„Auf so einen Abend habe ich 63 Jahre gewartet“
Eberhard Koch, neuapostolischer Bischof
Im Namen der Nürtinger ACK gratulierte deren Vorsitzender, der evangelische Pfarrer Markus Lautenschlager. Dessen Überzeugung ist: „Es gibt eine Ökumene der Herzen und eine Seele der Ökumene.“ Beides lebe, wenn man im anderen ein Kind Gottes erkenne, das die Liebe des Schöpfers erwidere: „Wir sind verbunden in der Liebe zu Christus. Und wir sind nah beieinander, auch wenn wir uns in manchem noch verständigen müssen.“ Auf jeden Fall sei es „schön, dass wir gemeinsam was tun können – wie dieses Konzert“. Und unter Bezug auf die Lieder, die Akteure und Publikum miteinander intonierten, sagte er: „Wenn wir gemeinsam singen – das ist schon eine Wucht, oder? Auf dem Weg gehen wir weiter!“
Berührt zeigte sich auch der für den Kirchenbezirk zuständige neuapostolische Bischof Eberhard Koch: „Auf so einen Abend habe ich 63 Jahre gewartet“, bekannte er. Der christliche Reichtum zeige sich „in der Vielfalt unserer Lieder und im gemeinsamen Glaubensbekenntnis“. Sicher, in der Ökumene, zu der sich nun auch seine Kirche im Bemühen um einen Beitritt zur ACK aufgemacht habe, brauche es Geduld. Aber er wolle seiner Gemeinde Mut machen: „Ein einzelner Baum stürzt um im Sturm. Aber wenn wir spüren, wir brauchen einander, dann rücken wir zusammen.“