Nürtingen
Praktisch orientiert
(heb) Man muss die Feste feiern, wie sie fallen. Und wer heute zufällig keinen Geburts-, Namens-, Hochzeits- oder Sonst-was-Tag hat, muss deshalb noch lange nicht traurig sein, denn für den hat die katholische Kirche einen Trumpf in der Hinterhand reserviert. Vielleicht ist es ja auch ein Ass im Ärmel, denn in keinem Lexikon ist eine halbwegs tragfähige Herleitung für den Zwölfbotentag zu finden, den der Kalender dem 15. Juli zuweist. An diesem Tag sollen die zwölf Apostel in die Welt gesandt worden sein. Vermutlich war der See Genezareth bereits damals überfischt und am 15. Juli haben Simon Petrus und Co. es bemerkt. Wie auch immer, etwas muss wohl dran gewesen sein an der Feierwürdigkeit des Gedenktages, denn einer Urkunde des Salzburger Erzbischofs Sigismund von Volkersdorf aus dem Jahre 1459 zufolge war in der Ramingsteiner Bergordnung festgelegt, dass die im Erzabbau eingesetzten Bergleute auch dann am Zwölfbotentag frei haben, wenn in derselben Woche noch ein zweiter Feiertag sein sollte. Und wenn man sich auf eines verlassen kann, dann darauf, dass die Feudalherren dieser Zeit vom Müßiggang ihrer Untergebenen gar wenig hielten.

Auch den Fürsten von Schwarzenberg muss der Tag etwas bedeutet haben. Der Würzburger Fürstbischof Gerhard von Schwarzburg legte am Zwölfbotentag des Jahres 1390 den Grundstein zu der spätgotischen dreischiffigen Hallenkirche St. Kilian in Hassfurt. Eher praktisch orientierten sich die Bauern am kirchlichen Kalender. Von wegen Feiertag und Freizeit: sie nahmen sich das biblische Beispiel, um die Schnitter am 15. Juli ins Feld zu schicken, die Ernte einzubringen.