Im Treppenhaus und in den Gängen des Schulhauses ist streng darauf zu achten, dass zwischen den Geschlechtern ein Sicherheitsabstand von mindestens eineinhalb Metern eingehalten wird, hieß es in einer von der aufmüpfigen Schülerschaft verfassten Schulordnung, die in den späten 60er-Jahren am damaligen Gymnasium Nürtingen kursierte. Vorsicht Windbestäubung war dem Paragraphen als unmissverständliche Warnung in Klammern angehängt, um auch ja jeden Zweifel an der Ernsthaftigkeit des Pseudo-Regelwerks zu zerstreuen. Immerhin hatte nach dem Sturz der Nazis die Aufklärung in Maßen wieder Einzug gehalten in die Lehranstalten der Adenauer-Ära. In tendenziell aufklärerischen Epochen wurden seit der Renaissance immer wieder die Erkenntnisse der alten Griechen zitiert, doch ausgerechnet bei jenen finden sich eindeutige Spuren für den Glauben an die mögliche Befruchtung von Säugetieren durch die Winde. Stuten, glaubte man, könnten von lüsternen Winden geschwängert werden, wenn sie nur das Hinterteil bei erhobenem Schweif in die richtige Richtung streckten. Frauen konnte dasselbe geschehen, wenn der in Betracht kommende Windstoß mit dem Geist eines Ahnen gerade am Schlittenfahren war. Selbst zum Hochleistungssport in Sachen Sexualität zeigten sich die Winde der Griechen in der Lage. So habe der wilde Boreas (Nordwind) jene Rosse, die über die Wellen der Meere und die Halme der reifen Getreidefelder jagten, mit zwölf trojanischen Stuten gezeugt. heb