Ein Tag wie jeder. Das Leben geht auch in Stefans Konditorei am Marktplatz einer fränkischen Kleinstadt seinen gewohnten Gang. Wie schon öfter hat sich auch an diesem Tag eine Seniorengruppe angesagt, die bei Kaffee und Kuchen einen Geburtstag feiern will. Besonders Stefans Mohnstriezel, weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannt und geschätzt, hat es ihnen angetan. Die Gäste kommen, Kaffee und Mohnstriezel werden aufgetragen und alles scheint in bester Ordnung. Scheint! Denn plötzlich beginnt es an einer Seite der Tafelrunde laut zu werden. Als Stefan nach dem Rechten sehen will, fallen ihm zunächst nur die eigentümlich glasigen Blicke auf, die ihm die Damen und Herren dann und wann zuwerfen, und es dauert keine halbe Stunde, da schläft das gesamte Kaffeekränzchen. Die eilig herbeigerufenen Sanitäter und Ärzte können sich den Zustand der Gäste auch nicht erklären und auch die Polizei kann zunächst nicht helfen. Doch eine genauere Untersuchung bringt die Ursache des Gruppenschlafes ans Licht. Stefan, der den Mohn für die Backwaren seines Biobetriebes roh aus dem transatlantischen Ausland bezieht, hatte von seinem Lieferanten eine versehentlich mit der für Arzneizwecke angebauten Mohnsorte zugeschickt bekommen, die ein Vielfaches des im für Lebensmittel zugelassenen Mohn enthaltenen Morphins enthielt. Die alten Leutchen schliefen also gewissermaßen ihren Opium-Rausch aus, der für die meisten davon mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der erste gewesen sein dürfte. Eine solche Vermutung wollen wir auch zugunsten des unfreiwillig zum Dealer gewordenen Konditors anstellen, der diesen Tag im Nachhinein sicher nicht als einen wie jeder anderen verbucht haben mag. Heinz Böhler