Leserbriefe

Zukunft sieht für mich anders aus

Heinrich Freer, Nürtingen. Zum Artikel „Das Prinzip Brüderle“ vom 5. August. Im Gegensatz zu manch anderem Politiker hat der SPD-Abgeordnete Rainer Arnold zuweilen den Mut, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. So gestand er auf einer Podiumsdiskussion im Jahre 2009 auf die Frage, weshalb die schwarz-rote Koalition im gleichen Jahr eine Rentengarantie eingeführt habe, mit den Worten: „Wir hatten Schiss.“ Eine ehrliche Antwort. Jeder Politiker, der wieder gewählt werden will, muss danach sehen, dass die 20 Millionen Wähler im Rentenalter nicht vergrault werden.

Schwer verständlich, wenn jetzt der FDP-Wirtschaftsminister Brüderle fordert, die Rentengarantie wieder aufzuheben. Ist er so tolldreist und so wenig besorgt um seine politische Zukunft, dass er glaubt, ungestraft die Rentner vergraulen zu können? Ist er wie viele seiner Kabinettskollegen Opfer jener unter Politikern zurzeit grassierenden Seuche, deren Symptome Frust, Verdrossenheit und „Hinschmeißen“ sind. Die Infizierten zeichnen sich durch hohe Schmerzfreiheit aus. Selbst heftige Reaktionen der Medien und einzelner Bürger auf ihr Gerede machen sie nicht einmal nachdenklich. Die schwarz-gelbe Koalition hat keine Zukunft und will wohl auch (so wie sich seit ihrer Amtsübernahme gibt) keine Zukunft haben. Ähnliches erleben wir in Baden-Württemberg. Mappus ist Politprofi, aber glaubt er denn im Ernst, dass der Wähler seinen penetranten Einsatz für die Interessen der Atomindustrie im März 2011 honorieren wird? Landtagspräsident Straub (CDU) weiß wohl nicht, was er seiner Partei antut, wenn er erst einen Porsche als Dienstwagen verlangt, aber andererseits wie eine zickige Diva Abstimmungen schwänzt.

Offensichtlich ist es auch der CDU egal, wie sie bei den Landtagswahlen abschneidet. Die SPD will nicht begreifen, dass die Leidensfähigkeit der Wähler nicht unendlich ist. Jeden Abend gehen zurzeit Tausende auf die Straße, um gegen das „Milliardengrab“ Stuttgart 21 zu protestieren. Alt- Sozialdemokraten wie Schmiedel und Drexler fällt hierzu nichts anderes ein als ein resignatives „Alles beschlossen, man kann nix mehr machen“. Zukunftsfähigkeit sieht anders aus: frisch, frech und „links“.

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