Leserbriefe

Zick-Zack-Kurs beim Hölderlinhaus

Dieter Braunmüller, Nürtingen. In Sachen Hölderlinhaus möchte ich die Entwicklung in Erinnerung rufen. 2007: Der Gemeinderat beschließt, das Hölderlinhaus abzureißen und einen Wettbewerb für ein neues Gebäude auszuschreiben. 2008: Gegen den Siegerentwurf gibt es vehemente Bürgerproteste. OB Heirich zieht die Notbremse und beauftragt den unabhängigen Bauhistoriker Johannes Gromer mit der Untersuchung des Gebäudes auf Spuren von Hölderlin. Das Ergebnis ist positiv. Fazit des OB: „Das Hölderlinhaus muss stehen bleiben“!

2014: Der bestehende Abrissbeschluss für das Hölderlinhaus wird vom Gemeinderat einstimmig aufgehoben! Das Haus soll saniert werden. Alsbald gibt es Überlegungen, das Gebäude um eine Etage aufzustocken, da die VHS mehr Platz fordert. Der Dachfirst würde dadurch 3,50 Meter höher. 2018: Es erfolgt die Ausschreibung eines beschränkten Ideenwettbewerbs für Sanierung/Umbau des Hölderlinhauses. Drei Büros bekommen die Aufgabe, sowohl eine Aufstockungs- als auch eine Sanierungsvariante zu planen. Der Entwurf des Büros Aldinger erhält für seine Aufstockungsvariante mit einer „Haus im Haus Lösung“ den ersten Preis. Die Planung sieht vor, dass die Außenfassaden stehen bleiben, der Dachstuhl abgebrochen, der Innenraum entkernt und durch vorgefertigte passgenaue Innenwände und neue Decken ein gebrauchsfertiges Innenhaus entsteht. Der Gemeinderat stimmt begeistert zu.

2019: Es gibt erste Anzeichen, dass die Planungsidee schwierig umzusetzen und sehr viel teurer wird als gedacht. Der Gemeinderat macht das Zugeständnis, dass zur Kostenersparnis die südliche und westliche Gebäudefassade abgerissen werden dürfen. Heute entscheidet der Gemeinderat über mehrere Alternativen von der Fortführung der bisherigen Planung mit dem Teilabriss von zwei Außenwänden, einer Reduzierung der Fläche, zwei Sanierungsalternativen und einem Neubau. Eine Rückfrage ergibt, dass auch bei einer Sanierung ein Landeszuschuss von 2,7 Millionen Euro gewährt wird, wie bei einem Umbau. Im Ranking ist damit die Sanierung „light“, anders als in der Vorlage dargestellt, die kostengünstigste Lösung mit Kosten von 5,6 Mio und einem Eigenanteil der Stadt von 2,9 Millionen Euro.

Der Zick-Zack-Kurs zwischen Abriss und Erhalt des Hölderlinhauses ist grotesk. Es wird das zugrundeliegende Ziel aus dem Auge verloren, nämlich die Erhaltung der einzigartigen Authentizität des Gebäudes, das 24 Jahre der Familie von Hölderlin gehörte. In diesem Haus ist Hölderlin aufgewachsen, hier war sein Lebens- und Lernraum, hier hat er die entscheidende Prägung erfahren. Dieses Haus war bis zu seiner Erkrankung 1806 immer wieder sein Zufluchtsort. Es wäre unverantwortlich, wenn von diesem Haus nur noch ein Stein übrig bleiben würde wie beim Steinernen Bau.

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