Leserbriefe

Wird aus Toleranz Gleichgültigkeit?

Rainer Braun, Wendlingen. Zum Artikel „Kretschmann verteidigt Pläne zu sexueller Vielfalt“ vom 15. Januar. Mit Sicherheit ist „Toleranz“ ein wichtiger Bestandteil einer funktionierenden, freiheitlichen Gesellschaft. Doch was ist das eigentlich, Toleranz? Aus dem lateinischen Verb „tolerare“ wurde es im 16. Jahrhundert mit „erdulden, ertragen“ ins Deutsche übersetzt.

Von diesem Blickwinkel her betrachtet geht es dabei also weniger um die Frage des „Verstehens“ (Wissen, das von der Schule vermittelt werden sollte), als vielmehr um das „Verständnis“ (Erziehung, die vom Elternhaus und der Gesellschaft geleistet werden sollte). Denn nicht nur die Schule sollte „lehren“, sondern auch das Leben in dieser Gesellschaft. Wenn also Herr Kretschmann sich darüber beklagt, dass „Du schwule Sau“ ein gern benutztes Schimpfwort auf den Schulhöfen ist, dann hat nicht die Schule versagt, sondern das Elternhaus und die Gesellschaft!

Zum Thema „sexuelle Vielfalt“ würde ich mir mehr Gelassenheit wünschen. Als Freund der „apokryphen Schriften“ denke ich dabei oft an die Worte Jesus aus dem Thomasevangelium. Darin sagt er (log 40): „Ein Weinstock wurde außerhalb des Vaters (der Schöpfung) gepflanzt, und da er nicht in festem Grund wächst, wird er mit der Wurzel ausgerissen werden und verdorren.“ Aus heutiger Sicht betrachtet bedeutet es, dass nicht alles, was Menschen tun, nachhaltig und fruchtbar ist. Angesichts der jetzt schon überfüllten Lehrpläne, insbesondere beim G8, würde ich mir für unsere Kinder wünschen, dass sich unsere Schulen bei dem, was sie lehren, mehr an der „Schöpfung“ orientieren würden. Das heißt alles, was Nachhaltigkeit, natürliches Gleichgewicht und Fruchtbarkeit hervorbringt, sollte im Lehrplan vorhanden sein. Den Rest lehrt sie das Leben. Denn eines sollten wir uns zu guter Letzt immer vor Augen halten: Wenn wir uns und unsere Kinder ständig überfordern, entsteht leicht aus Toleranz Intoleranz oder im umgekehrten Falle Gleichgültigkeit.

Zur Startseite