Leserbriefe

Unmenschliche Relativierung

Sem Schade, Wendlingen. Zum Leserbrief „Wohlstand auf tönernen Füßen“ vom 1. Februar. Der Leserbriefschreiber stützt seinen Leserbrief auf einen Kapitalfehler – im wahrsten Sinne des Wortes. Deutschlands Reichtum bestünde ausschließlich aus dem Bodenschatz Kohle und der guten Ausbildung der Menschen. Ein Blick in das Statistische Bundesamt zeigt, dass unser materielles Vermögen hauptsächlich in Immobilien, Grundbesitz, Einlagen, Aktien und Versicherungen steckt, allein durch diese Säulen mehr als 13 000 Milliarden Euro. Auch ein Blick auf das BIP schadet nicht. Dieses hat sich zwischen 1960 und 2003 verdreifacht. Trotz der 68er-Bewegung. Für Herrn Sterr hat eine Bewegung, welche sich für Gleichberechtigung von Frauen, Homosexuellen und Minderheiten einsetzt, das Ziel, Deutschlands gute Ausbildung zu zerstören.

Hier haben wir wohl unterschiedliche Gesinnungen. Einig sind wir wenigstens darin, dass Geflüchtete eine Chance für Deutschland darstellen. Er schreibt von Facharbeitermangel, dem der im Kontext stehende Migrationspakt entgegenwirkt. Keineswegs ist das die einzige Lösung, doch ein angesprochenes Abtreibungsverbot stellt auch nicht die Lösung dar. Mich widert die Relativierung von ertrunkenen Menschen durch die Zahl von Abtreibungen an. Hierfür gibt es den Fachbegriff „Whataboutism“. Das Prinzip, eine Untat durch eine schlimmere zu rechtfertigen, endet darin, dass im Extremfall jede begangene Tat damit gerechtfertigt werden kann, dass etwas oder jemand anderes, zum Beispiel Hitler, noch schlimmer war. Hier appelliere ich an die Menschlichkeit, solche Vergleiche sowie wahllose und pauschale Unglaubwürdigkeitsvorwürfe zu unterlassen.

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