Leserbriefe

Schmids Urteil ist falsch

Reinmar Wipper, Nürtingen. Zum Artikel Helmut Nauendorf aus der SPD ausgetreten vom 20. Februar. Man könnte meinen, Geschichtsschreibung müsse umso objektiver sein, je kürzer die zu beschreibenden Entwicklungen zurückliegen. Dabei werden Ereignisse nie so schlimm verbissen und entstellt wie in ihrer Entstehungsphase. Da werden sie, solange sie noch warm sind, in aller Eile zurechtgebogen. Kaum hat Helmut Nauendorf, einer der letzten Großmeister hiesiger Kommunalpolitik, sich aus seiner Partei gelöst, da fliegen ihm auch schon Bewertungen hinterher, die ihn und seine Motive entwerten sollen. Es ist einfach nicht wahr, was der Ortsvereinsvorsitzende der SPD und Landtagsabgeordnete Nils Schmid verlauten lässt, dass sich Nauendorfs Schritt nur aus persönlichen Animositäten speist.

Nauendorfs schwere Entscheidung, die SPD zu verlassen, geht auf seine bittere Erfahrung zurück, dass die SPD-Fraktion ihn letztlich als maßgebliche Figur loshaben wollte und ihn bei ihrer Mauschelei, wie das anzustellen sei, außen vor gelassen hat. Die Einschätzung des Vorsitzenden Schmid, mit dem Parteiaustritt Nauendorfs habe der sein politisches Leben zerstört, hätte ich von einem Intellektuellen dieses Formats nicht erwartet. Sein Urteil ist falsch, selbst als erster, verständlicher Reflex auf einen vermeintlichen Abweichler. Nauendorfs politisches Leben ist ein genuin kommunales, regionales, nicht zuerst an eine, oder seine Partei gebunden, sondern gleichrangig seiner politisch-moralischen Grundhaltung als auch der Stadt und ihren Bürgern verpflichtet.

Es irrt, wer glaubt, dies sei zerstört, weil so einer wie er dem Verein den Rücken kehrt, der ihn nicht mehr aushält, und in dem er es deshalb nun auch nicht mehr aushalten will. Schließlich zur Frage, ob Nauendorfs Mandat als Stadtrat nun verwirkt sei: Hohe Stimmenanteile erteilen zuerst der Persönlichkeit ein Mandat, danach erst einer Gruppierung. Dies und nichts anderes ist der Sinn des Panaschierens zwischen Wahllisten. Wer fürchtet, ein Mann wie Nauendorf wechsle mit seinem Sitzplatz auch sein Gesangbuch, der kennt ihn nicht. Ein Senator wie er muss sein Mandat behalten. Zum Wohle der Stadt, wie seit bald vier Jahrzehnten. Und 2009 wird dann wieder gewählt.

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