Leserbriefe

Nelau-Hexen beten unter der Larve

Bernd Frank, Wendlingen. Zum Leserbrief „Nelau-Hexen im Gottesdienst“ vom 22. Februar. Ich schreibe als eine der Nelau-Hexen, die am Narrengottesdienst mit Eucharistie in Wendlingen teilnahmen. Herr Weikmann macht sich große Sorgen um den richtigen Glauben, da ist er nicht allein. Aus seiner Sicht ist der Befund eindeutig: Heidnische Bräuche haben in einem (katholischen!) Gottesdienst nichts zu suchen. Trotzdem habe ich beim besten Willen nicht wirklich den Eindruck, dass Herr Weikmann von der ganzen Angelegenheit mehr weiß, als aus dem Artikel zu entnehmen war. Er hat also quasi nach Aktenlage entschieden und als heidnisch eingestuft, was in diesem Gottesdienst nach seiner Ansicht nach geschehen ist. Hier befindet sich der Leserbriefschreiber in guter Gesellschaft. Sogar im heiligen Offizium sind Akten (lateinisch acta – die Geschehnisse) oft wichtiger als Menschen gewesen. Bei all den wirklich gescheiten Gedanken fehlt mir doch die wichtigste „Akte“, die für uns Christen unverzichtbar ist, die Bibel. Dort findet man viele verschiedene Narren, zum Beispiel Paulus. Die Nelau-Hexe hat als Narrenfigur neben den vielen biblischen Narren auch Bezüge zum mittelalterlichen Narr und seiner Menschenfreundlichkeit. Sie will dem Mitmenschen mit ihrem Narren ein Spiegel sein, der stumpf werden würde, wenn die Mitmenschen ihre Aufmerksamkeit zu sehr auf den Menschen hinter der Larve als auf die Narrenfigur richten würden. Sie darf daher ihre „weltliche“ Identität, die sie hinter ihrer Larve (zoologisch: Zwischenform des Lebens) versteckt, weder während der Fasnet, noch das Jahr über preisgeben. Das ist der einzige Grund, warum die Nelau-Hexe im Gottesdienst die Larve nicht abnimmt. Alle anderen Narren betreten die Kirche mit abgenommener Larve, um deutlich zu machen, dass sie im Gotteshaus nicht narren.

Unsere Anwesenheit im Gottesdienst ist Ausdruck unserer Hoffnung und Bitte, dass unser Narren auch durch Gottes Nähe eine gute und menschenfreundliche Richtung erhalte und bewahre. Viele von uns beten unauffällig unter der Larve. Sich dabei mit Tüchern zu verhüllen ist ebenfalls gute jüdisch-christliche Tradition.

Und die Larve? Für uns ist sie auch der Balken im eigenen Auge, den wir nicht sehen, den Splitter im Auge des Nächsten aber sehr wohl. Wir tragen diese Larve also auch, damit wir diese Mahnung des Herrn das Jahr über nicht ganz vergessen. War Herrn Weikmanns Urteil zu heidnischen Bräuchen in diesem Gottesdienst etwas vorschnell?

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