Leserbriefe

Kritik bitte mit Wissen und Maß

Peter Reinhardt, Neckartenzlingen. Zum Leserbrief „Israel und der Nahe Osten“ vom 7. Dezember. Man glaubt es kaum: da schreibt ein Deutscher über Israel und ist sich – offensichtlich – keineswegs der Problematik dort bewusst. Ein Großteil der Israelis in Palästina wäre in deutschen Konzentrationslagern ermordet worden, wenn es den Zufluchtsstaat Israel nicht gegeben hätte – weiß er das wirklich nicht? – oder schwadroniert er nur einfach drauflos? Die Juden sind seinerzeit und bis heute keineswegs aus Jux und Tollerei nach Palästina ausgewandert, sondern weil sie im ach so christlichen Europa über Jahrhunderte hin immer wieder nicht nur ausgegrenzt, sondern auch angegriffen und umgebracht wurden. Da erschien den Juden die Auswanderung in ein keineswegs verlockendes Land im Nahen Osten das kleinere Übel – das Leben dort war und ist immer noch ziemlich hart.

Es ist ohne Frage dann allerlei Schreckliches geschehen – aber wohlgemerkt: von beiden Seiten aus. Und so ist es zumeist bis heute. Man kann mit Recht Kritik an der Politik der israelischen Regierungen seitdem üben – klar. Beide Seiten sind sich zum Teil übel angegangen. Aber ob es eine Alternative je gegeben hätte, das ist für jemand, der sich auch nur ein bisschen auskennt, höchst fragwürdig – so unschön und menschenverachtend vieles dort ist und war. So sehr wir den Juden dort, den Palästinensern und all den arabischen Menschen dort ringsum eine menschliche und friedliche Zukunft wünschen, bisher sind alle Versuche – und es gab einige – gescheitert; mal an der einen Seite, mal an der anderen.

Wer da völlig einseitig alle Schuld an den gegenwärtigen, sehr unschönen Umständen auf die jüdische Seite schiebt, der verbreitet gewissenlos Lügen. Auch der – für manche ein – Lieblingsfeind USA taugt nicht als Hauptschuldiger. Natürlich ist Kritik am Handeln der Regierungen dort erlaubt, vielleicht sogar geboten (zum Beispiel an Netanjahu, der immerhin etwa die Hälfte der Bevölkerung hinter sich hat); schließlich ist Israel der einzige Rechtsstaat in der Gegend, und es hat eine demokratisch legitimierte Regierung – ist das nichts?.

Kritik aber von uns Deutschen doch bitte mit Wissen und Maß. Als Deutsche stehen wir seit Auschwitz den Juden gegenüber in der Schuld. Wer das verdrängt, hat kein historisches Gewissen und denkt und redet skrupellos. Auch wenn manches uns unangenehm ist.

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