Leserbriefe

Inklusion heißt Teilhabe am Leben

Bärbel Kehl-Maurer, Nürtingen. Zum Leserbrief „Inklusion ist kein Selbst-zweck“ vom 6. März und zum Artikel „Alle Kinder sollen optimal gefördert werden“ vom 2. März. Natürlich ist Inklusion kein Selbstzweck. Ebenso wenig wie der Leserbrief von Herrn Kunzmann. Dieser ist wohl schon dem vorgezogenen Wahlkampf zuzurechnen und reiht deshalb eine Biertisch-Parole an die nächste. Wobei es schon erschreckt, dass ein Landtagsabgeordneter und Stadtrat offensichtlich das deutsche Grundgesetz nicht richtig kennt. Sonst wüsste er, dass in Artikel 3 steht: Niemand darf aufgrund seiner Behinderung benachteiligt werden! Im Jahr 2008 hat Deutschland zudem die UN-Behindertenrechtkonvention unterschrieben, die – siehe Grundgesetz – jedem Menschen mit Behinderung dieselben Rechte zugesteht wie allen anderen.

Seit 2008 ist wenig passiert – weil Politiker und Interessenvertreter mit ähnlichen Argumenten wie Herr Kunzmann eine Umsetzung dieser Konvention gebremst haben. Die Kernargumente dagegen sind immer dieselben: zu hohe Kosten und Überforderung – der Lehrer, der Kinder, der Gesellschaft. Geäußert wird dann, dass behinderte Kinder den Schulfrieden stören könnten, dass sie Probleme haben könnten mit der wirklichen Welt, dass sie deshalb einen Schutzraum bräuchten und dass das letztlich das Beste für sie und ihre Eltern wäre.

Im Klartext heißt das aber „Lassen wir doch Menschen mit Behinderung da, wo sie uns nicht stören und wo sie gut aufgehoben sind – in Sonderschulen und in Heimen“ Denn wenn wir das nicht tun, so befürchtet Herr Kunzmann, dann müssen Sonderschulen schließen, Sonderschullehrer finden sich in einer richtigen Schule nicht zurecht, normale Lehrer werden überfordert, niemand mehr will Sonderpädagoge werden, unser Bildungssystem wird kollabieren. Und dann geht das Abendland unter? Glaubt Herr Kunzmann das wirklich? Inklusion heißt Teilhabe am ganz normalen Leben und ist für behinderte und nicht behinderte Schulkinder die Vorbereitung darauf. Damit auch sie zu einem wichtigen Teil unserer Gesellschaft werden können. Das ist das Ziel von Inklusion und das ist ein Grundrecht. Es ist deshalb Aufgabe von uns allen, dieses Ziel auch für Menschen mit Behinderung (und ihre Eltern) um- und durchzusetzen. Auch wenn es nicht einfach ist und Zeit und Geld kostet.

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