Leserbriefe

„Grüne Stadt am Neckar“?

Professor Dr. Eberhard Roos, Nürtingen. Zum Artikel „Grüne Stadt zurückgestellt“ vom 8. Dezember. In vielen europäischen Städten wird das Potential der Flussufer für die urbane Entwicklung längst mit ambitionierten Programmen genutzt. Nicht so in Nürtingen, hier wird das große Potential, das sich für die Stadt Nürtingen aus der Lage zwischen Neckar im Westen, Steinach im Süden und Tiefenbach im Norden ergibt, bisher nicht ansatzweise genutzt.

Die Steinach verläuft oberirdisch eingeengt, der Tiefenbach ab dem Bahnhof unterirdisch und beide sind praktisch nicht wahrnehmbar. Dabei ist der Neckar dominant, von dessen westlichem Neckarufer sich der tolle Blick auf die noch erhaltene, historische Altstadt eröffnet. In der Stadtplanung spielt diese Situation keine Rolle. Es könnte zum Beispiel der Tiefenbach geöffnet und in der Planung des Quartiers „Bahnstadt“ berücksichtigt werden. Ähnliches gilt für die Steinach, deren oberirdischer Verlauf für mehr Gastronomie- und Freizeitangebote im Uferbereich genutzt werden könnte. Insbesondere für den Neckar fehlt am Neckarufer ein attraktives Gastronomie- und Freizeitangebot, das den freien Zugang zum Neckar und zur Fischtreppe gewährleistet und dort zum Verweilen einlädt.

Die Projekte „Wörthareal“, „Westliches Neckarufer“ und „Psychiatrie“ verändern die Stadt grundlegend auf beiden Seiten des Neckars. Es ist unabdingbar, diese Projekte in eine stadtplanerische Gesamtkonzeption zu integrieren, die die Zuflüsse Steinach und Tiefenbach mit einbezieht. Leider wurde ein derartiger, gesamtheitlicher Ansatz bisher nicht einmal andiskutiert.

Die Hoffnung, dass das gestiegene öffentliche Bewusstsein für Fragen der Stadtentwicklung dazu beiträgt, dass eine Vision von der Zukunft Nürtingens mit den Flüssen als zentralem Identifikationsort entwickelt wird, ist nicht besonders groß. Die Reaktion von der Mehrheit des Gemeinderats und der Stadtspitze auf die 4701 Stimmen, die die Bürgerinitiative in wenigen Wochen gegen den Zubau des westlichen Neckarufers gesammelt hat, sind nicht dazu angetan, große Hoffnungen aufkommen zu lassen. Dazu wird der Neckar beim Wörthareal jetzt wohl auch noch zweireihig zubetoniert.

Dabei ist es besonders wichtig, dass Uferräume im Einklang mit der Natur als Erlebnisräume für die Menschen nicht nur erhalten, sondern attraktiv gestaltet werden. Jetzt soll ein Büro in diesem Planungs-Tohuwabohu noch für 100 000 Euro grüne Flächen für eine Landesgartenschau suchen. Ein ambitioniertes Vorhaben unter diesen Voraussetzungen. Es wäre wirklich wünschenswert und für die positive Entwicklung von Nürtingen ungemein wichtig, wenn Gemeinderat und Stadtverwaltung die Weiterentwicklung von Nürtingen genauso kreativ und innovativ angehen würden wie das Abwehren von Bürgerinteressen.

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