Leserbriefe

Gott und das Universum

Dieter Schmid, Nürtingen. Zum Artikel Gott statt Darwin: Fromme Christen wollen mehr Bibelstunden im Biologie-Unterricht vom 24. Juli. Brauchen wir Gott, um das Universum zu erklären? Meine persönliche Antwort lautet: Ganz und gar nicht. Ich brauche Gott nicht. Vielen Dank, aber ich komme beim Versuch, das Universum zu begreifen, ganz gut zurecht, indem ich meine Fähigkeit benutze, das Universum in meinen Kopf zu stecken.

Ach übrigens, ich glaube durchaus, dass mir diese Fähigkeit von Gott gegeben wurde. Wer allerdings Gott als den großen Gott der Lücken hinzuzieht, um Dinge zu erklären, die er ansonsten nicht erklären kann, hängt einem Götzenbild an, das sich kaum von der Anbetung des Goldenen Kalbs unterscheidet, von dem die Bibel berichtet. Jeder solide Wissenschaftler wird einräumen, dass wir ein sicheres Wissen nicht besitzen. Wir formulieren Modelle, wir überarbeiten unsere Modelle, führen Computerberechnungen durch, sammeln unzählige Daten und stellen fest, dass sie nicht ganz passen. Auf diese Weise kämpfen wir ständig darum, unser Wissen zu vervollkommnen. Wir können nur jeden Tag hoffen, dass wir uns der Wahrheit nähern.

Ich glaube, es wäre eine sehr bereichernde Erfahrung für Theologen und Gläubige, die moderne Wissenschaft unter dem Begriff der fortwährenden Schöpfung näher zu erkunden. Gott arbeitet mit dem Universum. Das Universum hat eine gewisse eigene Vitalität, gleich einem Kind, welches neben aller Erziehung versucht, eine eigenständige Persönlichkeit zu entwickeln und eine eigene Leidenschaft fürs Leben. Eltern müssen einem Kind erlauben, erwachsen zu werden, eigene Entscheidungen zu treffen, seinen eigenen Weg im Leben zu gehen. Das ist in etwa die Art und Weise, wie Gott mit dem Universum umgeht. Wir können nur auf Grund von Analogien Erkenntnisse über Gott erlangen. Das Universum, wie wir es heute durch die Wissenschaft kennen, bietet eine Möglichkeit, mit Hilfe solcher Analogien Erkenntnisse über Gott abzuleiten. Für Gläubige, die sich der modernen Wissenschaft nicht verschließen, sagt diese etwas über Gott aus und ist eine bereichernde Herausforderung für den traditionellen Gottesglauben (George V. Coyne, Astrophysiker, Jesuit und Leiter der päpstlichen Sternwarte in Castel Gandolfo). Übrigens: der Darwinismus wurde längst weiterentwickelt zur Synthetischen Theorie der Evolution, auch unter dem etwas abwertenden Begriff Neodarwinismus bekannt. Sie benennt neben Mutation und Selektion folgende Evolutionsfaktoren: Rekombination (Neukombination von Erbanlagen) und genetische Drift (Veränderung der Gene einer Population aufgrund von Zufällen, das heißt Umweltkatastrophen wie Feuer, Überschwemmungen, Blitzeinschläge und so weiter).

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