Leserbriefe

Geisterfahrt mit „Diesel-Grenzwert“

Herbert Schölch-Heimgärtner, Neuffen. Zu den Artikeln „Experte: Grenzwerte für Diesel sind reine Willkür“ und „Fauler Zauber um Diesel-Grenzwert“ vom 15. November. Klaus Köster will Diesel-Fahrern wie mir mit seinen Artikeln über die Erkenntnisse von Professor Kekulé sicher aus dem Herzen sprechen. Wo er aber hinzielt, schlägt mein Herz nicht. Eine derart reißerische und oberflächliche Berichterstattung wird dem komplexen Thema „Diesel und Schadstoffgrenzwerte“ in keiner Weise gerecht. Ganz nebenbei: Es geht nicht um Diesel-, sondern um Stickoxid-Grenzwerte.

Die Charakterisierung „reine Willkür“ und „fauler Zauber“ sind Wertungen, die sicher nicht von Kekulé stammen. Dass dieser „als erster Wissenschaftler die Entstehung des Grenzwerts ausgewertet“ habe, spielt, wenn es so wäre, keine Rolle: Es ist Wichtigtuerei des Autors. Über die Kekulé ganz sicher erhaben ist – wer seinen Gastbeitrag in der „Zeit“ („Hysterie ums Falsche“) liest, der für die Artikel vermutlich Pate gestanden hat, findet eine sehr differenzierte Darstellung mit aufklärenden Anmerkungen zur Wissenschaftlichkeit, in der die Fehler bei der Festlegung des NO2-Grenzwerts sachlich und klar angesprochen werden.

Statt des kurzschlüssigen „Fahrverbote basieren auf Daten von Gasherden“, das ins Lächerliche ziehen soll, erläutert Kekulé die ungeeigneten Schritte, die schließlich, ohne eine schlüssige Grundlage, zur Festlegung des EU-Grenzwerts geführt haben. Die Kritiker der Landesregierung, die Köster zitiert, bemängeln deren Untätigkeit, weil sie Zweifel an den Grenzwerten nicht in die Verhandlung über Fahrverbote in Stuttgart eingebracht habe; Skudelny (FDP) unterstellt gar „ideologische Gründe“, dass solche Aspekte nicht vorgebracht wurden. Ein Hinterher-Prophet und eine Verschwörungstheoretikerin als Kronzeugen des Berichterstatters: das macht neugierig, was Professor Kekulé – bei Köster nicht zitiert – zum Thema NO2-Grenzwert resümiert: „Trotz der bizarren Historie wäre es unklug, eine Änderung des NO2-Grenzwerts zu fordern. (…) Das würde die Politik der EU um Jahrzehnte zurückwerfen. (…) Statt wegen des NO2-Grenzwerts die Bürger zu verunsichern, die Kommunen zu überfordern und der Autoindustrie Konjunkturprogramme zu bescheren, sollte die EU ihre Abgasvorschriften weiter verschärfen – und dafür sorgen, dass sie von den Autoherstellern auch eingehalten werden.“

Mit Diesel-Fahrverboten schlägt man sicherlich den Sack statt des Esels. Die Bundesregierung wäre gefordert gewesen, planend und kontrollierend dafür zu sorgen, dass die schon lange bekannten Grenzwerte eingehalten werden können. Autokonzerne, die mit ihrem Betrug das Desaster (mit) herbeigeführt haben, müssen jetzt zur Verantwortung gezogen, nicht belohnt werden. Leider wird Klaus Köster, dem Drang zu billiger Effekthascherei erliegend, dem komplexen Thema trotz der guten Vorlage nicht gerecht.

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