Leserbriefe

Gegen elektronische Überwachung

Jan Lüdtke-Reißman, Nürtingen. Zum Artikel „Kein Schnellschuss bei Google“ vom 18. August. Es ist im Zusammenhang mit der Haltung der Bundesregierung durchaus geboten, sich intensiver mit der Frage zu befassen, warum Bundesinnenminister Thomas de Maizière plötzlich auf der Bremse steht, wenn es um die umstrittene Abbildung von Häuserzeilen im Internet geht. Er spricht von „gesetzgeberischen Kollateralschäden“, da zu strenge Regeln für Häuserfassaden gelten könnten. Doch welche Begleitschäden erwartet unser Bundesinnenminister? Europaweit wird am mit elf Millionen Euro finanzierten „INDECT“-Verfahren (Intelligent information system supporting observation, searching and detection for security of citizens in urban environment) gearbeitet.

Hierbei handelt es sich um eine Ausweitung der elektronischen Überwachung der Bevölkerung. Im Rahmen dieser Untersuchungen sollen Möglichkeiten gefunden werden, automatisiert „abnormales Verhalten“ sowohl im wirklichen Leben über Kameras als auch in den verschiedenen Kommunikationskanälen im Internet und in der Telefonie automatisch zu suchen und zu melden. Hier reden wir aber nicht mehr über Häuserfassaden, sondern über den Bürger! Es ist also durchaus verständlich, wenn Herr de Maizière plötzlich ein Problem sieht und mit beiden Füßen auf der Bremse steht.

Ich hoffe inständig, dass diejenigen, die jetzt ihre Häuserfassade pixeln lassen, sich genauso klar gegen eine computergestützte Totalüberwachung jeglicher Bewegung und Kommunikation der Bürger aussprechen. Ja, ich habe etwas zu verbergen, meine Privatsphäre! Es erübrigt sich fast, sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass die ich als Kandidat der Piratenpartei im Wahlkreis Nürtingen eine derartige Totalüberwachung der Bürger ablehne. Ich brauche keine Kameraüberwachung in der Nürtinger Kirchstraße oder wo auch immer. Ich bin kein Verbrecher und will auch präventiv nicht wie ein potenzieller Verbrecher behandelt werden. Bleibt noch zu fragen, warum eine Regelung im Herbst kommen soll? Hier droht ACTA (Anti-Counterfeiting Trade Agreement)! Geheimverhandlungen der europäischen Kommission am, von uns gewählten, Europäischen Parlament vorbei.

Es droht die Haftung der Internetprovider für Urheberrechtsverletzungen der Kunden und die Verwarnung durch den Provider mit dem umstrittenen Prinzip, den Internetzugang nach drei Verstößen zu sperren. Dieser Verpflichtung können sich die Provider nur entziehen, wenn sie den Internetverkehr komplett überwachen. Auch Anstiftung und Beihilfe zur Urheberrechtsverletzung sollen strafbar werden. Hier wird uns amerikanisches Recht übergestülpt und EU-Recht umgeschrieben, wie gesagt am Europäischen Parlament vorbei!

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