Leserbriefe

„Gefahr der Solidarisierung“

Ilse Bartsch, Nürtingen. Zum Artikel „Wütend und ziemlich deprimiert“ vom 25. Juni und dem Leserbrief „Schuldzuweisungen helfen nicht weiter“ vom 30. Juni. Ja, es gibt Entwicklungen in Migrantenvereinen, auch in Nürtingen, die Anlass zur Sorge geben. Eine sachliche Auseinandersetzung, wie wir mit der Problematik umgehen, wäre nötig. Schuldzuweisungen helfen nicht weiter. Das sollte aber in alle Richtungen gelten.

Wir müssen überlegen, wie wir diese Entwicklungen so beeinflussen, dass möglichst viele der Eingewanderten für unsere Demokratie, für die Beteiligung in unserer Gesellschaft gewonnen werden. Wir Deutschen ziehen als Lehre aus unserer Geschichte einen klaren Trennungsstrich zu allen nationalistischen Gruppierungen in Deutschland. Viele wollen deshalb einen ebenso strikten Trennungsstrich zu nationalistischen Migrantenvereinen ziehen, das ist verständlich. Aber hilft es tatsächlich weiter, wenn der Deutsch-Türkische Freundschaftsverein von Kontakten und von Integrationsmaßnahmen ausgeschlossen wird? Vor allem deshalb, weil dort eine große Anzahl von Leuten verkehrt, die nicht dieser Ideologie anhängen, sondern wegen des Kontakts zu Landsleuten und, noch mehr, wegen des Gebets hingehen.

Von vielen erhalte ich immer wieder Rückmeldungen, die ähnlich klingen, wie das, was jetzt die Jugendlichen geäußert haben, dass sie sich „als türkische Mitbürger beschimpft und mit Extremisten in eine Ecke gestellt“ sehen, und noch weiter, ein Zitat: „Ich fühle mich, als gehöre ich einer Horde Krimineller an“. Auch Türkischstämmige, die die politischen Ziele des Vereins vehement ablehnen und nicht dort hingehen, äußern sich ähnlich.

Meines Erachtens besteht die Gefahr der Solidarisierung. Die „Ausschlussaktionen“ der letzten Monate führten, wie ich hörte, dazu, dass dieser Verein stark an Mitgliedern zunahm.

Zu der notwendigen Auseinandersetzung hier einige Aspekte: Ein Referent, den Frau Wahl nach Nürtingen eingeladen hatte, schrieb im Internet, viele türkischstämmige Jugendliche würden sich nationalistischen Vereinen anschließen, weil sie sich hier ausgeschlossen und nicht akzeptiert fühlten. Ist es also richtig, nun mit noch mehr Ausschluss zu reagieren?

Claudia Dantschke, die auf Einladung von Frau Wahl in Nürtingen referierte, kam leider erst zum Schluss und ganz kurz zu der Frage, wie man mit solchen Vereinen umgehen sollte. Sinngemäß sagte sie: „Hingehen, mit ihnen reden, mit ihnen über Nationalismen ins Gespräch kommen. Dies wird nicht funktionieren, wenn die Leute das Gefühl haben, man käme, um sie auszuhorchen.“

Was, im Gegensatz dazu, bisher in Nürtingen geschah, führte mit zu den beschriebenen Problemen.

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