Leserbriefe

Euphorie ist nicht angebracht

Gernot Sohl, Großbettlingen. Zum Artikel „Die Freude und der Tod“ vom 5. Mai. Die Freude und Euphorie über die Ermordung des Terroristenführers Bin Laden ist ein Ausdruck mangelnder Kenntnis des Mechanismus von Gewalt und Gegengewalt und der fehlenden Bereitschaft, sich Hintergrundwissen zu verschaffen. Man kann eine Idee nicht erschießen und der Versuch oder die Rechtfertigung dieses Versuches zeugt letztlich von der Bequemlichkeit unserer Gesellschaft.

Ich bin kein Anhänger von Gewalt, schon recht kein Terrorist, aber Folgendes sollte nicht gänzlich außer Betracht gelassen werden: Bin Laden hat die falschen Mittel gewählt – inhaltlich hat er versucht, die Ungerechtigkeit auch unserer westlichen Systeme aufzuzeigen und anzuprangern. Zum Kern unserer westlichen Demokratie gehört, dass jeder die Möglichkeit hat, sich über ungerechte Verhältnisse weltweit zu informieren und diese zu erkennen. Dabei ist erforderlich, dass wir einfache und bequeme Schwarz-Weiß-Denkmuster aufgeben.

Es ist eindimensional zu glauben, dass wir im Westen der Nabel der Welt sind und alles richtig machen; ich kann nur hoffen, dass wir dieser Ignoranz nicht verfallen werden. Die Ermordung Bin Ladens entschärft nicht das Gefahrenpotenzial dieser Welt, sie hilft nicht, die Not und das Leiden ganzer Völker zu lindern. Eher wären Toleranz und Verständnis, Hilfestellung und die Zurücknahme unserer eigenen Ansprüche ein Weg, um Lösungen zu finden.

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