Leserbriefe

Die Nanzwiese und das Hetzpamphlet

Reinmar Wipper, Nürtingen. Zum Artikel „Flugblatt aufs Schärfste missbilligt“ vom 9. Juni. Als im Juni 2015 an unserer Haustüre das erste Pamphlet gegen ein „Asylantenheim im Roßdorf“ hing, habe ich es vernichtet, damit es nicht die Runde macht. Zu spät: Es war bereits auf dem Weg ins Rathaus und zur Presse. Dort hat man es fleißig zitiert, aber niemand hat gesagt, Rathaus oder Zeitung verbreiten Hetzschriften. Warum auch? Was man kritisiert, muss auf den Tisch.

Beim nächsten Hetzblatt sollte nichts anbrennen. Also Strafanzeige. Allerdings – so die Polizei – ohne Erfolgsaussicht. Die Besorgnisse und Fragen im Roßdorf nahmen inzwischen zu. Denn niemand wusste etwas Genaues. Im Januar habe ich dann den OB gedrängt, endlich ins Roßdorf zu kommen, um den Menschen ihre irrationalen Befürchtungen zu zerstreuen. Das hatte er bereits am 16. Juni 2015 versprochen. Gekommen ist er bisher nicht. Stattdessen hat er gemeint (vor sieben Wochen), die Stadt bringe zwar die Flüchtlinge unter, für Probleme vor Ort sei aber die Bürgerschaft zuständig. Man müsse eben einen AK-Integration einrichten.

Vor Tagen nun hing das dritte anonyme Flugblatt im Hauseingang. Auch an der Kirche und in anderen Wohnanlagen. Eine aufgescheuchte Anhäufung überzeichneter Ängste und Szenarien. Anderntags waren Kopien davon bereits wieder im Rathaus und bei der Polizei. Also habe ich getan, was ich schon immer bevorzuge: informieren und diskutieren. Und zwar in meinen Nürtinger Facebook-Gruppen, in denen das seit fünf Jahren erfolgreich geschieht, mit mehr als 3000 Mitgliedern, eifrig beäugt von Rathaus und Presse. Fast alle Kommentare zum aktuellen Flugblatt sind spöttisch. Viel Solidarität mit den Flüchtlingen, aber Zweifel am Standort Nanzwiese, wegen der Stromleitung direkt über den Container-Wohnungen.

Der OB liest das Pamphlet sogar im GR vor. Um es zu brandmarken. Wenn aber ich es zeige, um mit der Bürgerschaft zu diskutieren, wird mir gesagt, ich handle verantwortungslos. Früher wurden die Bauern gehenkt, wenn sie sich dasselbe rausnahmen wie ihre Fürsten. Heute gehen sie wählen. Leider erst in drei Jahren.

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