Leserbriefe

Die Kritiker ernst nehmen

Dr. Helmut Gundert, Wolfschlugen. Zu den Artikeln Hochschule Nürtingen: Wieder Experimente mit Genmais vom 12. April und Mit Aufklärung gegen irrationale Ängste vom 17. April. 1957, also genau vor 50 Jahren, wurde die Göttinger Erklärung verfasst. Zur Erinnerung: Anfang 1957 wird bekannt, dass die USA Atomwaffen in Deutschland stationiert haben und der deutsche Verteidigungsminister Franz Josef Strauß wollte die Bundeswehr ebenfalls mit Atomwaffen ausrüsten. Unter den Göttinger 18, wie diejenigen von der Presse getauft wurden, die die Göttinger Erklärung verfasst haben, befinden sich neben den Nobelpreisträgern Werner Heisenberg und Max Braun auch Otto Hahn, der Entdecker der Kernspaltung, und der Philosoph Carl Friedrich von Weizsäcker. Die unerwartete Zivilcourage der Elite der deutschen Atomphysiker ließ die konservativen Politiker der jungen Bundesrepublik die Fassung verlieren, sodass Strauß über den Nobelpreisträger und Entdecker der Kernspaltung Otto Hahn sagte: Ein ahnungsloser Trottel, der die Tränen nicht halten und nachts nicht schlafen kann, wenn er an Hiroshima denkt. Zu den Göttinger 18 sagte Strauß: Sie sind gar nicht gefragt worden, ob Sie sich an der Atomwaffenentwicklung beteiligen wollen und brauchen also auch gar nichts dazu zu sagen.

Angesichts des gewaltigen Presseechos und nach harten Auseinandersetzungen lenkte Adenauer aber ein und war zu folgender Stellungnahme bereit. Die Bundesregierung teilt die Besorgnisse, die in der genannten Erklärung zum Ausdruck kommen. Sie stimmt mit den Motiven und Zielen der Wissenschaftler überein und empfindet volles Verständnis für die Verantwortung, die die Atomwissenschaftler für die Entwicklung in einer Welt der Spannung zwischen Ost und West in sich fühlen. Adenauer, als bewährter Taktiker, verzichtete auf den Bau eigener Atomwaffen, hielt sich aber die Option zum Bau von Kernwaffen offen. Erst im Mai 2005 wurden die Bestände von waffenfähigem Plutonium in die Wiederaufbereitungsanlage nach La Hague gebracht und auch 50 Jahre nach der Göttinger Erklärung befinden sich noch immer 150 US-Atombomben auf deutschem Gebiet.

Wenn doch Professor Schier zusammen mit seinem amerikanischen Forschungspartner, der Firma Monsanto, und der Leitung der Hochschule die Stimmen der Kritiker (Mehrheit der Verbraucher und Bauern und viele Wissenschaftler) auch so ernst nehmen würde wie Adenauer und mit einer ähnlichen Stellungnahme zum Rückzug blasen könnte. Das würde sicher dem Image der Fachhochschule und der Stadt Nürtingen, als der Besitzerin der Versuchsfelder, guttun und den Spruch Freiheit von Forschung und Lehre für viele akzeptabler machen.

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