Leserbriefe

Der Rückfall in nationale Egoismen

Dr. Johannes Heimann, Nürtingen. Zum Artikel „Urlaub all impfklusive“ und zum Kommentar „All inclusive“ vom 16. Februar. Zu Recht kritisieren Wolfgang Molitor und Susanne Hamann die neuen Geschmacklosigkeiten. Ein gewisses Grundverständnis mag man schon für die Klagen haben, dass der Impfstart in Deutschland so schleppend verläuft. Die Ewigmäkler beschimpfen auch schon wieder die Regierenden, bei der Impfstoff-Bestellung schlecht verhandelt zu haben. Und – etwas lächerlich – meinen einige verbohrte Planwirtschaftler bei Linken, SPD und teils auch Grünen, die Pharmaindustrie zu höherer Produktion zwingen zu können. Sie verkennen, dass der Vektor-Impfstoff von Astra-Zeneca eine hochmoderne Entwicklung ist und die mRNA-Impfstoffe von Biontec/Pfizer und Moderna noch moderner sind, und dass man die Produktion von hochqualitativen Produkten nicht einfach befehlen kann.

Und dennoch: der wahre Skandal liegt ganz woanders: dass Länder wie Israel, GB, USA und andere den Impfstoff zu überteuerten Preisen den anderen weggekauft haben und zum Beispiel Israel bald drangeht, unter 20-Jährige zu impfen. Gleichzeitig können arme Länder wie Südafrika, Mozambique und Zaire noch nicht einmal ihr Krankenhauspersonal schützen. Die Corona-Last liegt auch auf den vielen Ländern drückend, die gleichzeitig noch drückendere Plagen haben: Heuschrecken, HIV, Malaria oder Tuberkulose, strukturelle Armut und Gewalt oder ein übles postkoloniales Erbe.

Der Corona-Impfstoff, auch wenn aus Deutschland zündende Ideen kamen, hätte wie ein Weltkulturgut der ganzen Menschheit gehört. Über die UNO beziehungsweise WHO hätte man ihn weltweit gerecht zuteilen können. Aber genauso beschämend wie der Impftourismus ist, was wir gerade erleben: der Rückfall in nationale Egoismen.

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