Leserbriefe

Der Bundestag als Jobmotor

Peter Främke, Neckartailfingen. Zum Artikel „Wahlrechtsreform: Die Uhr tickt.“ vom 10. Juli. Das Bundestags-Wahlrecht sieht vor, dass 598 Abgeordnete ausreichen, um alle Wahlberechtigten im Parlament zu repräsentieren. Dazu gehören auch die fünf Repräsentanten aus den Wahlkreisen Nürtingen und Esslingen. „Alte Hasen“ der Parteipolitik sind es, die seit vielen Jahren schon repräsentieren in dem inzwischen auf 709 Personen angewachsenen Bundestag. Auch beim nächsten Mal wollen sie dabei sein, wenn es womöglich schon 800 Mit-Repräsentanten sind, die krisensicher jeden Monat circa 10 083 Euro plus 4497 Euro Aufwands-Entschädigung beziehen.

Woher kommt das erstaunliche 30 Prozent Wachstum von 598 auf bald 800? Ist das der neoliberale Kapitalismus? Dazu steht in der Nürtinger Zeitung vom 3. Juli im Artikel „Droht ein aufgeblähtes Parlament?“ Zitat: „Bundesverfassungsgericht: Deutschlands oberste Richter hatten 2012 das Bundestagwahlrecht für verfassungswidrig erklärt und deutliche Korrekturen gefordert.“ Welche Korrekturen wurden vom Bundestag seit acht Jahren beschlossen? Keine! Kein Wunder, denn es geht ja um die eigenen Jobs der Politprofis und das erinnert doch sehr an die Geschichte von dem Bock und dem Gärtner.

„Weiter so“ wie bisher war deshalb die bewährte Devise der regierenden Parteien, die sich damit von Wahl zu Wahl gerettet haben und richtige Lösungen verhinderten – ein weiterer Baustein für Politiker-Verdrossenheit. Erst-Stimme nennt sich die geniale Erfindung, mit der diese Bundestags-Jobmaschine betrieben wird – zwar verfassungswidrig, aber sehr beliebt: Mit „Erst“ wird eine bekannte Person angekreuzt – mit „Zweit“ dann eine Partei, wobei die Wahl-Möglichkeiten äußerst begrenzt sind, weil die eigentliche Personen-Auswahl vorher in den Gremien stattfindet und nur bewährte, brave Partei-Mitglieder überhaupt gelistet werden. Nach der Wahl bleiben eigentlich circa 200 Sitze im Bundestag frei für alle Wahlberechtigten, die kein Vertrauen zu den Alt-Parteien haben, kleine Parteien wählen oder als Nicht-Wähler gelten, weil für Parteilose bisher kein Kreuz-Kästchen vorgesehen ist.

Was passiert mit den freien Sitzen eigentlich? Ganz einfach: Die siegreichen „Über-fünf-Prozent-Parteien“ machen Beute und teilen all diese Plätze einfach unter sich auf! So geht repräsentative Demokratie.

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