Leserbriefe

Bleibt Nürtingen Schlusslicht?

Kai Hansen, Nürtingen. Zum Artikel „Nürtingen als eigentliche Hölderlinstadt“ vom 4. April. Beim Dichter Friedrich Hölderlin handelt es sich um das einzig wirklich historisch bedeutsame Erbe, das die Stadt Nürtingen zu bieten hätte. Darüber sollte kein Zweifel herrschen. Niemand hat diese schöne Stadt, die Gassen, den Neckar und die umgebende Natur inniger, liebevoller und schöner beschrieben als dieser in der Stadt stets stiefmütterlich behandelte und ungelittene Dichter.

Würde Hölderlin gelesen, dessen 250. Geburtstag 2020 gefeiert wird, und würde man sich wirklich bemühen um sein Andenken, würde so manche Grobschlächtigkeit im Umgang mit dem Neckarufer, mit klotzig-abweisenden Zustellungen von Ufer- und Stadtraum erst gar nicht aufkommen. Auch würde man die Räume, in denen er gewohnt hat, nicht schleifen, sondern erhalten. Dann wäre in der Tat für Gäste aus allen Herren Ländern, die Hölderlin kennen und verehren und auch für viele zufällige Touristen diese Stadt einen Besuch und Aufenthalt wert, so wie das in Tübingen und Lauffen längst der Fall ist. Als Denkmal wäre das Haus vom Land und Bund gefördert, wenn man das nur wollte. Um die ehrenamtlich Engagierten zum Schweigen zu bringen, nennt man solches Andenken jedoch seitens der Stadt Nürtingen „nostalgisch“. So wird da nie was draus. Und mit Kulturpflege oder Hölderlins Bildungskonzept hat das schon lange nichts mehr zu tun. Es ist ein Trauerspiel und gehört schnellstens korrigiert.

Der Abriss des besagten Hauses wurde von Bürgern knapp verhindert. Danach wurde wieder einmal, trotz gegenteiliger Gutachten, wie üblich nach Gutsherrenart, mittels Behauptungen und ohne belastbare Evidenzprüfungen alles getan, um die historische Situation in Frage zu stellen und zu entfernen. Wie dadurch Hölderlin endlich in dieser Stadt zu Ehren kommen soll und wie Nürtingen „als eigentliche Hölderlinstadt“ zur Geltung kommen soll, das bleibt abstrakt und im Nebel. Lauffen und Tübingen haben längst wirksame Zeichen gesetzt – und die politischen Zeichen stehen ganz offensichtlich so, dass Nürtingen das Nachsehen hat und Schlusslicht bleibt. „Die Mauern stehn / sprachlos und kalt / im Winde klirren die Fahnen.“

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