Weihnachtsgrüße

Weihnachtsmarkt mit (Volksfest-)Stimmung

Alicia Grupp absolviert ihr Auslandssemester im britischen Brum – dem einen oder anderen vielleicht besser bekannt als Birmingham.

So regnerisch ist es in England gar nicht, Beim Ausflug auf die Isle of Skye war die Regenjacke aber ein wichtiger Begleiter.

Aufgrund der Coronapandemie ist mein Auslandssemester ganz ans Ende meines Masters Internationale Studien/Friedens- und Konfliktforschung an der Universität Frankfurt und Universität Darmstadt gerutscht. Hier, in England, studiere ich an der Universität Birmingham.

Birmingham ist die zweitgrößte Stadt nach London im Vereinigten Königreich, dafür aber ziemlich unbekannt und das, obwohl Birmingham ziemlich zentral in der Mitte Englands liegt. Von dort ausgehend konnte ich während meiner Zeit im Auslandssemester auch ein paar Reisen zum Beispiel nach Schottland, Manchester, York oder auch nach Bath und Bristol unternehmen.

Birmingham als Stadt wird von den Locals eigentlich nur Brum und die Einwohnerinnen und Einwohner Brummis genannt. Die Stadt gewann vor allem während der Industrialisierung zunehmend an Bedeutung und war lange Zeit das Zentrum der Kohleindustrie. Es wurde ein Kanalsystem für den einfacheren Transport von Gütern angelegt und auch heute leben noch einige Brummis auf Hausbooten.

Aufgrund der wirtschaftlich wichtigen Lage wurde die Stadt im Zweiten Weltkrieg sehr stark zerstört und es dauerte einige Jahrzehnte, bis die Stadt wieder komplett aufgebaut war. Heute zeichnet sich der Stadtkern durch einige historische Bauerwerke und sehr moderne Shoppingcenter aus, ehemalige Industrieviertel haben sich zu Kulturzentren entwickelt und die Fassaden haben durch Streetart einen bunten Anstrich erhalten. Birmingham ist außerdem Europas jüngste Stadt, 40 Prozent der Bevölkerung ist unter 25 Jahre alt (zum Vergleich: in Nürtingen waren es 2020 knapp 26 Prozent), außerdem ist Birmingham eine sehr internationale und diverse Stadt. Rund 20 Prozent der Studierenden der Stadt kommen aus dem Ausland.

In den vergangenen Jahren konnte ich schon einiges an Uni-Erfahrung an vier unterschiedlichen Universitäten sammeln. Eine englische Universität ist aber nochmals etwas ganz anderes. Der Unterricht unterscheidet sich dahingehend, dass sehr viel mehr vorgegeben und es insgesamt deutlich verschulter ist als in Deutschland. Eine deutsche Professorin, die hier unterrichtet, begründet das damit, dass die hohen Studiengebühren die Erwartung mit sich bringen, dass Studierende an die Hand genommen und gut behütet durch das Studium geführt werden. Es wird nichts dem Zufall überlassen und so gibt es fast ein Überangebot an akademischen Aktivitäten. Aber auch über die Lehre hinaus ist das Angebot sehr breit aufgestellt. Das Uni-Fitnessstudio inklusive 50-Meter-Schwimmbecken ist top ausgestattet, darüber hinaus gibt es über 50 Sportclubs für die unterschiedlichsten Sportarten. Das habe ich genutzt, um während meines Auslandssemesters ein paar neue Sportarten auszuprobieren. Mittlerweile habe ich schon meine ersten Freundschaftsspiele im Touch Rugby (Rugby ohne Tackeln) gespielt und meinen Segelschein gemacht.

Neben den Sportclubs gibt es noch die von den Studierenden organisierten Societies, Hochschulgruppen, in denen sich gleichgesinnte Studierende für Workshops, Veranstaltungen und Austausch wöchentlich treffen. Es gibt über 300 unterschiedliche Societies. Die Societies beschäftigen sich mit den vielseitigsten Themen aus Kultur, Musik, Politik aber auch Vergnügungsthemen wie Pasta kochen, Gin trinken oder einer gemeinsamen Leidenschaft wie „Game of Thrones“.

Wer trotz des riesigen Angebots seine Hochschulgruppe noch nicht gefunden hat, der wird dazu eingeladen, eine eigene zu gründen.

Ein paar Vorurteile hat wahrscheinlich jeder, der in ein neues Land fährt, ich bin vor allem mit drei Vorurteilen im Gepäck nach England gereist. 1. 365 Tage Dauerregen, 2. Corona kennt hier keiner mehr und 3. Es gibt fast nur ungesundes Essen. Meine Erwartungen an drei Monate Regen wurden bisher (glücklicherweise) nicht erfüllt und ich habe deutlich mehr Sonne gesehen als erwartet.

Zweiteres hat sich (ebenfalls glücklicherweise) erfüllt, denn mit der Ankunft in London ist meine Maske gefallen und seitdem habe ich auch keine mehr aufgesetzt.

Vorurteil drei lässt sich weder bestätigen noch negieren. Meine Erlebnisse mit der Kulinarik auf der Insel sind gemischt. Die englische Küche ist nicht nur schlecht. English Breakfast, Fish and Chips oder einen Pie kann man gut mal genießen. Darüber hinaus holen sich die Engländerinnen und Engländer einfach das Beste aus der internationalen Küche ins Land. Man kann in England also wirklich fantastisch essen gehen und es ist für jeden etwas dabei. Außerdem liebe ich es, dass es in jedem Café unglaublich leckere Brownies, Kuchen und Cookies gibt, denen ich deutlich öfter als geplant verfallen bin.

Die negative Seite am Essen fällt besonders beim schnellen Mittagessen auf. Viele greifen hier zum Tesco Meal Deal. Ein Meal Deal besteht klassischerweise aus diesen dreieckigen ungetoasteten Sandwiches, einem Softgetränk und einem Schokoriegel oder einer Tüte Chips. Man kann zwar auch Nudelsalat und Obst auswählen, aber die habe ich mehrheitlich im Kühlregal und nicht in den Einkaufstüten gesehen. Über die Weihnachtszeit nicht in Deutschland zu sein, bedeutet meist ja auch eine Weihnachtszeit ohne Weihnachtsmarkt, das gilt aber nicht für Birmingham. Denn hier gibt es den „Frankfurt-Birmingham Christmas Market“ und der hat natürlich auch direkt nach Halloween am 3. November seine Tore für Glühwein, gebrannte Mandeln und Steakbrötchen geöffnet.

Etwas weniger weihnachtlich, aber hier ganz besonders beliebt ist die Weihnachtsmaß Bier und der „German Singer“, der die uns vom Wasen bekannten Hits hoch und runter spielt. Die Stimmung auf dem „Birmingham Weihnachtsmarkt“ befindet sich also irgendwo zwischen einem deutschen Weihnachtsmarkt und einem Zelt auf dem Cannstatter Wasen.

Und das Wichtigste zum Schluss: Ich wünsche meiner Oma Helga an ihrem Ehrentag heute alles Gute zum Geburtstag, viel Gesundheit und Kraft für das nächste Jahr.

 

Viele Grüße

Alicia Grupp

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