Licht der Hoffnung
Licht der Hoffnung: Nachhaltige Hilfe für Kinder in Afrika
Licht der Hoffnung: Über eine Fotovoltaik-Anlage mit Speicher soll die Stromversorgung für die kindermedizinischen Bereiche eines Krankenhauses in Benin abgesichert werden. Ein schwäbisches Ärzteteam ist regelmäßig vor Ort.
FRICKENHAUSEN. Erst vor ein paar Wochen ist Dr. Susanne Eberlein aus Benin zurückgekehrt. Normalerweise arbeitet sie als Oberärztin der Sektion Kinderchirurgie am Klinikum in Ludwigsburg. Bereits seit 2017 zählt die Ärztin, die Zweite Vorsitzende des Vereins „Kinderchirurgie in Afrika“ ist, jedoch zum Team, das zweimal im Jahr für 14 Tage in Westafrika ist. Eberlein war nun zum zweiten Mal dabei. Es sind stets mehrere Kinderchirurgen und Anästhesisten, die sich im Krankenhaus in Bembéréké um junge afrikanische Patienten kümmern. Das hat sich längst schon über die Landesgrenzen von Benin hinaus herumgesprochen. Auch aus den Nachbarstaaten, darunter Niger und Nigeria, bringen die Eltern ihre Kinder zum Krankenhaus nach Bembéréké, wenn wieder einmal im Radio bekannt gegeben wird, dass das deutsche Ärzteteam kommt. „Diesmal waren sofort über 100 Patienten zum Angucken angemeldet“, erzählt Susanne Eberlein. „Wir mussten bereits am ersten Tag mit dem Operieren anfangen.“ In den zwei Wochen im November hat das deutsche Ärzteteam mehr als 120 Kinder gesichtet und 72 Kinder operiert. Dazu wurde an allen Wochentagen durchgängig in zwei OPs von 8 bis 21 oder 22 Uhr gearbeitet – bei „anstrengender Hitze“. Beim Einsatz im März 2022 hatte das Ärzteteam 70 Kinder in Benin untersucht und 48 Operationen an 44 Kindern durchgeführt. „Pro Tag fiel vier oder fünf Mal der Strom aus.“ Schon schlimm genug, dass es dann im Operationssaal dunkel ist. Stirnlampen mit Batterien können hier ein wenig helfen. Viel schlimmer: „Die elektrischen Geräte fallen aus. Manche sind notwendig, um Blutungen zu stillen.“ Zwar gibt es vor Ort ein Notstromaggregat. „Aber durch die ständigen Spannungswechsel gehen die Geräte schnell kaputt.“ Viele der elektromedizinischen Geräte sind schon nach ein oder zwei Jahren nicht mehr einsatzfähig und können auch von Technikern vor Ort nicht mehr repariert werden.
Schon vor einiger Zeit ist das deutsche Ärzteteam daher auf eine Idee gekommen. „Sonne gibt es in Benin ohne Ende. Mit einer Solaranlage auf dem Dach des Krankenhauses wäre eine sichere Stromversorgung gegeben und die Stromkosten fallen weg“, stellt die Ärztin Susanne Eberlein fest. Die Verbindung zu Fachleuten für Solaranlagen wurde hergestellt und das Ziel des Projektes stand fest: Mit Hilfe des Vereins „Kinderchirurgie in Afrika“ soll das Krankenhaus in Benin eine Fotovoltaikanlage mit Speicher aufs Dach bekommen.
Urban Nießer aus Frickenhausen ist Mitglied des in Stuttgart eingetragenen Vereins und hat die Bewerbung für eine Unterstützung durch die Aktion „Licht der Hoffnung“ unserer Zeitung abgeschickt. Der gemeinnützige Verein hat das Ziel, die kinderchirurgische Versorgung in Afrika zu verbessern. Zu den Mitgliedern des Vereins zählen Kinderchirurgen und Interessierte, die dafür Sorge tragen, dass Spenden zu 100 Prozent für die Projekte eingesetzt werden. Afrika ist ein Kontinent mit einer sehr jungen Bevölkerung – in fast allen Ländern ist die Hälfte der Menschen unter 15 Jahre alt. Dennoch ist die Anzahl der Kinderchirurgen sehr gering und damit auch das Wissen um die Behandlung von Fehlbildungen und Erkrankungen im Kindesalter. Deshalb reisen einige Ärztinnen und Ärzte regelmäßig hin, um Kinder zu untersuchen, operieren und behandeln. Bei dieser Gelegenheit wird gleich das afrikanische Personal geschult und befähigt, die Behandlung zum Teil oder ganz selbstständig durchzuführen.
Über die Fotovoltaikanlage soll zunächst die Stromversorgung für einige kritische Bereiche des Krankenhauses abgesichert werden. Mit der ersten Ausbaustufe sollen die Bereiche der kindermedizinischen Behandlung mit Strom versorgt werden. In weiteren Ausbaustufen könnte die Solaranlage dann sukzessive auf das gesamte Krankenhaus ausgeweitet werden. Das hätte einen weiteren großen Vorteil: Da der Netzstrom in Benin derzeit zu über 95 Prozent aus fossilen Brennstoffen erzeugt wird, steigen die Energiekosten für das Krankenhaus seit einigen Monaten extrem an. Die Kostensteigerung muss an die Patienten weitergegeben werden, sodass die Behandlungskosten steigen.
Urban Nießer kümmert sich im Auftrag des Vereins um das Projektmanagement und die Finanzierung. Der Verein finanziert die Projekte über Mitgliedsbeiträge und Spenden. Aktuell verfügt der Verein bereits über 40 000 Euro Eigenmittel für das Fotovoltaik-Projekt. Nießer geht derzeit von Gesamtkosten für die erste Ausbaustufe zwischen 150 000 und 200 000 Euro aus.
Das Evangelische Krankenhaus von Bembéréké ist ein privates konfessionelles Krankenhaus der Union Evangelischer Kirchen von Benin. Es wurde 1961 gegründet und hat 230 Betten und 240 Mitarbeiter, davon sieben Ärzte. Es versorgt primär eine Bevölkerung von rund 400 000 Menschen als regionales Krankenhaus, als Referenzkrankenhaus umfasst das Einzugsgebiet 1,2 Millionen Menschen. In Benin kommen aktuell 0,6 Ärzte auf 10 000 Einwohner. Zum Vergleich: Deutschland verfügt über 43 Ärzte je 10 000 Einwohner. Laut WHO kommen in Benin 0,5 Krankenhausbetten auf 1000 Einwohner. In Deutschland sind es acht Betten.
Für das Projekt ist eine enge Zusammenarbeit mit der Begeca GmbH vorgesehen, die über große Projekterfahrung im Bereich Fotovoltaikanlagen mit Speicher in Afrika verfügt. Geplant ist, dass Begeca die Planung, Beschaffung des Equipments für die Anlage und Lieferung bis an die Pforte des Krankenhauses übernimmt. Begeca wird das Projekt zudem mit 75 000 Euro unterstützen. Der „Freundeskreis Liweitari“, ein gemeinnütziger Verein in Benin, soll die Fotovoltaikanlage im Krankenhaus installieren und auch alle Wartungsarbeiten mit lokalen Arbeitskräften übernehmen. Mit der Anlage wäre das Krankenhaus unabhängig vom instabilen lokalen Stromnetz, sodass Operationen auch dann durchgeführt werden können, wenn die lokale Stromversorgung unterbrochen ist. Zudem würde sich durch die gleich bleibende Stromspannung und Stromstärke die Lebensdauer der elektro-medizinischen Geräte verlängern und es gebe eine Kosteneinsparung durch selbst produzierten Strom. Auch das Ziel von Benin, bis 2025 knapp 25 Prozent erneuerbare Energien im Energiemix zu erreichen, würde unterstützt. Durch die Zusammenarbeit mit dem Freundeskreis Liweitari würden zudem lokale Arbeitsplätze gesichert.
Susanne Eberlein ist durch ihren Ludwigsburger Kollegen Dr. Hartwig Sauter, der Erster Vereinsvorsitzender ist, zu „Kinderchirurgie in Afrika“ gekommen. Sauter war bereits langjährig in Afrika in verschiedenen Krankenhäusern tätig und hat dadurch die Kontakte zu Kliniken und Freunden in Afrika. Susanne Eberlein war bei ihren Besuchen in Benin jedes Mal beeindruckt von der „Mischung aus vorindustrieller Zeit und Computer-Zeitalter“. Für die Küche würden Köhler vor Ort noch Holzkohle herstellen. „Aber jeder hat ein Handy und ist über WhatsApp erreichbar.“ Eine Krankenversicherung gebe es in Benin nicht. „Entweder hat man Geld, um eine OP zu zahlen, oder eben nicht.“
Einem Chirurgen vor Ort hat das deutsche Ärzteteam unter anderem bereits beigebracht, wie Gaumenspalten operiert werden oder eine Speiseröhrenverengung. „Das hat er gelernt und macht es inzwischen auch, wenn wir nicht da sind. Er weiß jetzt auch über einige Krankheitsbilder Bescheid, die er vorher nicht kannte.“
„Wenn wir dort sind, haben wir auch einige schwierige Operationen mit Krankheitsbildern, die man hier nicht sieht“, erzählt Susanne Eberlein. „Manchmal haben aber auch wir keine Diagnose.“ Manche Kinder hätten wiederum ohne die medizinische Hilfe aus dem Schwabenland keine lange Lebenserwartung gehabt.
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