Leserbriefe

Was muss ein OB können ?

Professor Dr. Rolf Knoblauch, Neckartailfingen. Zu den Leserbriefen „Die Qualifikation und das Amt“ vom 5. Oktober und „Was muss ein OB können?“ vom 19. Oktober. Da soll also ein wenig qualifizierter Kandidat (im Wesentlichen über 25 Jahre alt, EU-Bürger etcetera) in einer Stadt mit über 40 000 Einwohnern als Oberbürgermeister agieren dürfen, indem er learning by doing praktiziert! Natürlich, denn er bringt ja „ausgeprägten Gerechtigkeitssinn“ mit, „gesundes Rechtsempfinden“ und agiert mit „gesundem Menschenverstand“ (was ist das eigentlich?). Fast möchte man boshafterweise noch anmerken, er solle stubenrein sein (das lässt sich schon eher greifen). Unbestreitbar ist Fachwissen lern- und sind Erfahrungen erwerbbar. Aber soll er dann für seine gesamte Wahlzeit fachliche und führungsmäßige Fehler machen können? Auch schwere – weil er ja lernen können und dürfen soll? Und dies für immerhin acht Jahre. Und dann erst sagt der Wähler: Den wollen wir nicht mehr, er hat zu wenig dazugelernt? Für jede Führungskraft gilt ein grundlegendes Fachwissen für den Bereich, den es zu führen gilt. So wie übrigens als Basis für jeden Spitzensportler gesunde Beine dienen. Ohne diese kann er kaum Spitzenleistungen erbringen.

Dieser Gedankengang – ohne Basis sich in einem wichtigen Amt durch Lernen erst zu qualifizieren – ist nun wirklich sehr realitätsfremd, vor allem aber unprofessionell. Da funktionieren doch die Auswahlverfahren der Wirtschaft in der Summe besser, auch wenn es natürlich zu Fehlbesetzungen kommen kann. Deswegen, weil Auswahlverfahren nie zu 100 Prozent funktionieren können, es halt menschelt und Fehler überall gemacht werden. Insofern können die in den Leserbriefen der Herrn Nägele und Bühler angeführten Beispiele allenfalls als Beleg herhalten, aber als gültiger Beweis können sie natürlich nicht dienen.

Und was soll der Wähler tun, wenn für ihn keiner der Kandidaten wählbar ist? Er kann zumindest auf die dilettantischen Wahlverordnungen (über 25 Jahre alt etcetera) immer wieder aufmerksam machen und auf die Entscheidungsträger einwirken, derartige Wahlvorschriften ganz schnell zu ändern.

Das Ergebnis dieser Vorschriften ist doch gerade bei der anstehenden OB-Wahl in Nürtingen überdeutlich. Immerhin würde man dann bei einem unbefriedigenden Bewerbereingang in der Wirtschaft die Stelle nochmals ausschreiben. Ich wüsste nicht, was daran lächerlich sein sollte.

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