Leserbriefe

Vom Splitter und vom Balken

Dr. Egon Ziegler, Planegg. Zum Artikel „Steffen Weigel gewinnt die Wahl auf Anhieb“ vom 4. Juli. In dieser Ausgabe las ich Altbürgermeister Köhlers Äußerung zur Bürgermeisterwahl: Überrascht habe ihn das Abschneiden von Amtsinhaber Frank Ziegler. Das sei die Quittung für dessen Arbeit: „Mit wenig Engagement und Fleiß hat er kein besseres Ergebnis verdient“. Er hat damit Zieglers Leistungen in selbstgefälliger Weise in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt und bewertet. Diesbezüglich sollte er sich, wenn er Christ ist (und davon gehe ich aus), einen Satz im Matthäusevangelium zu eigen machen, der lautet: „Richtet nicht, auf dass ihr nicht gerichtet werdet“ (Matthäus 7). Die Bibel spricht in diesem Zusammenhang auch vom Splitter im Auge des Nächsten und vom Balken im eigenen Auge.

Ich schreibe diese Zeilen bewusst nicht als Vater des Noch-Bürgermeisters, sondern als Egerländer. Herr Köhler kommt auch aus dem Egerland. Meine Landsleute habe ich bisher als christlich gesinnt, aufrecht und charakterfest kennengelernt. Wer gibt ihm das Recht, sich in einer Weise zu äußern, die nicht von Artikel 5 Absatz 2 des Grundgesetzes (Meinungsfreiheit) gedeckt ist, denn seine Aussagen zielen ohne Zweifel auf die persönliche Ehre des Noch-Bürgermeisters?

Hier in München treten oft die sogenannten U-Bahn-Schläger auf ihre Opfer ein, die bereits am Boden liegen. Dieses Bild tauchte vor mir auf, als ich seine Sätze las. Der Unterschied ist lediglich, dass Herrn Köhlers Nachtreten verbal geschah. Ihm rufe ich mit dem römischen Philosophen Boethius (480–525) zu: „Wenn du geschwiegen hättest, wärest du Philosoph geblieben“! Nichtsdestotrotz erwarte ich eine Relativierung seiner Behauptungen, die den Straftatbestand der üblen Nachrede erfüllen.

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