Leserbriefe

Vinzenzifest und Größenwahn

Rainer Braun, Wendlingen. Zum Artikel „Antwort lässt weiter auf sich warten“ vom 26. Juni. Christa Ansel hat in ihrem Bericht schon recht, wenn sie schreibt, dass „das vier Tage dauernde Fest gigantisch war“. Eine riesige überdachte Haupttribüne, mehrere Nebentribünen.

Ein Feuerwerk, wie es die Stadt noch nie gesehen hat. Bekannte Künstler zum Nulltarif. Und natürlich musste alles perfekt sein. Daher waren die ansässigen Vereine bei der Mitarbeit nicht erwünscht. Profis wurden herangezogen. Angesichts dieser Dimensionen kann man schon von einem „rauschenden Fest“ sprechen, das da ablief. Mir jedenfalls wurde schwindelig dabei.

Zehn Monate später bleibt uns außer der Erinnerung an dieses „gigantische Fest“ auch ein Schuldenberg in Höhe von 258 000 Euro. Es ist daher rechtens zu fragen, wer eigentlich dieses Fest so gewollt hat. Aber nicht deshalb, um die Verantwortlichen an den Pranger zu stellen und zu verurteilen, denn sie haben es sicherlich nicht vorsätzlich getan. Ich bin sogar überzeugt, sie wollten Gutes tun und haben es nur etwas übertrieben.

Es sollte uns vielmehr darum gehen, aus diesen Ereignissen zu lernen und solche „Übertreibungen“ in Zukunft zu vermeiden. Denn schließlich sind es nicht die einzigen, die geblendet und fehlgeleitet wurden vom Wachstums- und Größenwahn, der in unserem Land herrscht und unser Leben bestimmt.

Ich sehe die Verantwortlichen eher als Opfer eines Irrglaubens, der behauptet, wir brauchen dieses „höher, schneller, weiter, besser“, um den „Wohlstand“ in diesem rohstoffarmen Land aufrechterhalten zu können. Jedoch haben wir uns noch nicht die Mühe gemacht, die Definition des Wortes „Wohlstand“ richtig zu erfassen.

Aus meiner Sicht leben wir aber jetzt schon in einem Ungleichgewicht. Das heißt, wir leben in einem materiellen Überfluss, was unweigerlich zu einem immateriellen Mangel führt. Weiteres Wachstum im Sinne der Politik würde dieses Ungleichgewicht nur noch verstärken. Außerdem konnte man am Beispiel „Vinzenzifest“ wunderbar erkennen, dass die Kosten für so ein „gigantisches Projekt“ in keiner Relation mehr zum Nutzen stehen. Andere Projekte, wie zum Beispiel „Stuttgart 21“, lassen grüßen.

Vielleicht können wir ja diese Erfahrung nutzen, um umzudenken und in Zukunft auch bei anderen Projekten wieder kleinere Brötchen zu backen. So könnten wir zumindest aus dieser negativen Erfahrung etwas Positives gewinnen.

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