Leserbriefe

Stromausfall: Gesunde digitale Entgiftung

Raul Guerreiro, Nürtingen. Zum Artikel „Der absolute Super-GAU“ vom 11. Mai. Die Stadt Nürtingen hat 2017 bis heute zwei grandiose Events erlebt. Das eine war der traditionelle Nationalfeiertag am 26. Mai. Er ist gut bekannt, wiederholt sich jährlich, war gut im Voraus programmiert, umfasste einen großen Teil der Population und wird schnell vergessen.

Das andere war ganz anders: es war ziemlich unbekannt, steht nicht fix im Kalender, war nicht vorprogrammiert, umfasste die ganze Bürgergemeinschaft und wird nicht so schnell aus dem Gedächtnis verschwinden. Kurz vor 13 Uhr am Mittwoch, 10. Mai mussten rund 23 000 Privathaushalte gemeinsam ein grandioses Spektakel erleben. Überall öffneten sich Fenster und Türen, Menschen liefen auf die Straßen und redeten frei und brüderlich miteinander: „Guten Tag Nachbar, darf ich was fragen?“ und dann unendlich fröhliches Austauschen über ein Leben ohne Strom.

Ältere Menschen brauchten kein Fernsehen schauen, um ein Nachmittagsschläfle zu gewinnen. Über Tausend fast myopische Augen waren plötzlich von ihren Computern entlastet. Kinder mussten im Garten oder auf Gehwegen allein oder miteinander spielen. Jugendliche zeigten plötzlich eine elegante Haltung: gerader Rücken, aufrechter Gang, Arme und Hände ganz entstresst und normal nach unten. Und oh Wunder, sie redeten auch miteinander ganz ohne Elektronik. In unseren tragischen Zeiten der staatlich geförderten digital-robotischen Korruption der Kindererziehung würde ich den 10. Mai 2017 zum exemplarischen Nationaltag der gesunden Digitalentgiftung in Nürtingen erklären.

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