Leserbriefe

Steinmeier und seine Kontakte zu Russland

Wolfram Sieler, Altenriet. Zum Artikel „Besuch in der Ukraine: Selenskyi erteilt Steinmeier eine Absage“ vom 13. April.

Es ist gefährlich, einen Politiker nach seiner Karriere direkt ins höchste Staatsamt zu wählen. Er könnte von den Folgen seines politischen Tuns eingeholt werden und dann seine Aufgabe als überparteiliches Staatsoberhaupt nicht wahrnehmen. Nichts belegt das eindrucksvoller als Steinmeiers Ausladung durch die Ukraine. Steinmeier hat sich in seiner Zeit als Außenminister und Kanzleramtschef um die deutsch-russische Beziehung verdient gemacht (wenn man das jetzt noch so sagen kann). Es gibt Fotos, die ihn herzlich vertraut zeigen mit Herrn Lawrow. Er hat die Russlandpolitik Schröders und Merkels maßgeblich gestaltet. Er hat im Minsker Abkommen einen russlandfreundlichen Passus eingefügt. Er hat Nord Stream II durchgesetzt.

Das alles ist an sich nicht verwerflich. Putin war zwar auch damals schon kein Humanist, aber da darf man nicht kleinlich sein. Schließlich ging es auch um die Überwindung der deutschen Kriegsschuld. Das meine ich jetzt gar nicht polemisch oder ironisch. Ich unterstelle Herrn Steinmeiers Russlandpolitik durchaus hehre Absichten. Problematisch wird es, wenn er die anderen Akteure – die mindestens genauso Anspruch auf deutsche Zuwendung hätten – vergrätzt. Da wären zu nennen: Litauen, Estland, Lettland, Polen und die Ukraine. Die fühlen sich durch die deutsch-russische Kooperation an dunkelste Zeiten erinnert.

Immer, wenn Deutschland mit Russland ganz dicke war, blieben sie irgendwie auf der Strecke. Richtig gemein aber wird es, wenn Steinmeier behauptet, deren Einwände seien unbegründet, schließlich habe man ja gegenüber Russland eine besondere historische Verantwortung. Da fragt man sich verwundert: weiß der Mann es nicht besser oder will er es nicht besser wissen? Dass die Ukraine Steinmeier im Moment nicht sehen will, ist deshalb verständlich. Was soll ein Bundespräsident jetzt überhaupt in Kiew? Er hat ja keinerlei politische Entscheidungsbefugnis. Er bringt keine Waffen mit. Kiew möchte nicht Laufsteg für Politiker sein, die sich ihrer moralischen Integrität versichert sehen möchten. Wer könnte es den Ukrainern übel nehmen? Sie haben im Moment Wichtigeres zu tun. Waffen besorgen zum Beispiel.

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