Leserbriefe

K.?H. Türk und die Freie Kunstakademie

Els Junginger, Nürtingen, Vorsitzende des Forum Türk. Zum Artikel „Kunstakademie oder Wein-Erlebnisland?“ vom 7. August. Mit dem Prädikat „Hochschulstadt“ begrüßt Nürtingen am Ortseingang seine Besucher. Zu Recht, denn Nürtingen beherbergt neben den zwei Hochschulen auch die Freie Kunstakademie (FKN).

Nun aber erwägen die Stadtväter, der FKN die Existenzgrundlage zu entziehen. Die wunderschön am linken Neckarufer gelegene Freie Kunstakademie, die bis heute in den Räumen der ehemaligen Fabrik und Villa Melchior residiert, soll einem „Weinland“ weichen – die Kunst soll dem Kommerz Platz machen. Und das in einer Stadt, die stolz ist auf die Vielzahl ihrer künstlerischen Einrichtungen.

Wer aber hat aus der kleinen Industriestadt Nürtingen eine „Kunst- und Kulturstadt“ gemacht? Wenn man die berechtigten Protestschreiben der betroffenen Freien Kunstakademie und ihrer Freunde liest, könnte man den Eindruck haben, Nürtingen sei zur Kunst gekommen „wie die Jungfrau zum Kinde“, oder ein „unbekannter Meister“ des Spätmittelalters habe die Kunst nach Nürtingen gebracht. Dem aber ist nicht so: aus zuverlässiger Quelle wissen wir, dass anno 1977 ein Bildhauer namens K. H. Türk den verwegenen Gedanken hatte, in Nürtingen eine Kunstschule zu gründen. Wackere Gesellen standen ihm bei diesem kühnen Vorhaben zur Seite: ein Bankdirektor, ein Architekt, mehrere Künstler und weitere helfende Hände. Allen Widerständen zum Trotz entstand eine blühende Freie Kunstakademie, die zur Keimzelle des künstlerischen Lebens in Nürtingen wurde. Seitdem haben unzählige Studierende hier ihre künstlerische Laufbahn begonnen, und aus der FKN ging eine weitere Kunstschule hervor, die Hochschule für Kunsttherapie.

Haben das die Stadtväter vergessen, oder wissen sie das gar nicht? Ein „Weinland“, was immer das auch sein mag, an die Stelle dieser weit über die Grenzen von Baden-Württemberg hinaus anerkannten Kunstakademie? Das wäre ein Schwabenstreich! Doch so weit wird es nicht kommen. Unsere verantwortungsbewussten Stadtväter werden erkennen, dass eine Schließung oder auch nur eine Umsiedlung dieser angesehenen Akademie einem Sakrileg gegenüber dem verdienstvollen Schulgründer gleichkommt. Immerhin haben K. H. Türk und seine Frau Ilse mit viel eigenem Geld und eigener Arbeitskraft das damals schon halb abgerissene Fabrikgebäude gerettet und zu einer funktionierenden Kunstschule umgebaut. Zitat K. H. Türk: „Leider sind meiner Frau und mir Kinder versagt geblieben. Nun sind die beiden Kunstschulen unsere Kinder!“ Der Erhalt der Freien Kunstakademie müsste eigentlich angesichts der Verdienste K. H. Türks um Nürtingen eine Selbstverständlichkeit sein. Nicht jede Stadt kann sich eines Bürgers rühmen, der für seine kunstpädagogischen Leistungen mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet wurde.

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