Leserbriefe

Grundsteuer: Der Irrweg in unserem Land

Petra Göhler, Nürtingen. Zum Artikel „Drohende Einspruchswelle bei der Grundsteuerreform“ vom 5. November:

Wir fanden es durchaus machbar, mit Elster und Boris-BW die gewünschten Daten zusammenzusuchen und die Formulare auszufüllen. Aber als wir das baden-württembergische Modell verstanden hatten, konnten wir es kaum glauben. Man stelle sich einen Eigentümer vor, dem ein großes Baugrundstück gehört. Er hat Glück, die Baugrenze umfasst das ganze Grundstück und ermöglicht einen großen Wohnblock mit zwölf Wohnungen.

In vergleichbarer Lage steht auf einem etwa gleichgroßen Grundstück ein älteres Haus, welches die Baugrenze fast ausgeschöpft hat. Vor diesem Haus ist eine Wiese mit Sträuchern, Büschen und Bäumen, ein zweites Flurstück, welches im Grundbuch als landwirtschaftliche Fläche eingetragen ist. Weder eine Bebauung noch eine Versiegelung dieser Fläche, zum Beispiel für Parkplätze, ist zulässig. Der Bodenrichtwert entspricht aber dem des Grundstücks, auf dem der Wohnblock steht, neben dem kein Grashalm mehr Platz hat. Die Grundsteuer ist in beiden Fällen gleich hoch.

In Baden-Württemberg ist nicht nur die Bebauung irrelevant, sondern auch die Baugrenzen beziehungsweise die Nutzungsmöglichkeit. Das führt zu absurd hohen Bewertungen von Häusern mit Gärten, die ja auch für die Nachbarn angenehmer sind als versiegelte Flächen oder ein Gebäude direkt vor der Nase, vom ökologischen und klimatischen Nutzen ganz zu schweigen. Die Ertragskraft des Grundstücks spielt keine Rolle. Eigentümer größerer Gartengrundstücke in Baden-Württemberg zahlen deshalb ein Vielfaches mehr als diejenigen anderer Bundesländer für Grundstücke in vergleichbarer Lage.

Mag sein, dass das baden-württembergische Modell „einfach“ ist, aber es ist halt auch „einfach ungerecht“. Es bleibt zu hoffen, dass das Bundesverfassungsgericht diesem Irrweg Einhalt gebietet.

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