Leserbriefe

Ermutigende Bewegung

Hartmut Gerhardt, Wolfschlugen. Zum Artikel „Deutsch-französischer Brückenbauer ist tot“ vom 9. Februar.

Die im Artikel beschriebenen Grundideen des Politologen und Germanisten Alfred Grosser sind immer noch hochaktuell. „Man sollte hoffen, im Moment des Sterbens sagen zu können, dass man ,ansteckend gelebt‘ hat“, so zitiert Grosser Francois Varillon. Alfred Grosser hat durch sein Leben und Handeln in der Tat ansteckend gelebt. Der Brückenbauer und seine Familie haben in der Zeit des Nationalsozialismus viel Leid erfahren müssen. Trotz allem setzte sich Grosser stets für eine Aussöhnung zwischen Deutschen und Franzosen ein. So kam der Hochschulprofessor vor Jahrzehnten auch in die Kleinstadt Ostfidern-Nellingen als Gast in das Heinrich-Heine-Gymnasium. In der Aula hielt er einen Vortrag mit anschließender Diskussion vor der Schülerschaft und dem Lehrerkollegium. Als ehemaligem Lehrer des Gymnasiums bleibt mir besonders eine Erzählung aus der Familie Grossers in Erinnerung: Wenn ein für seine Kinder unbekanntes Essen auf den Tisch kam, so ließ er den Satz „Das mag ich nicht“ erst gelten, nachdem die Heranwachsenden auch von dem Essen probiert hatten. Diese Episode steht doch stellvertretend für so viele Situationen in unserem Leben. Wie oft fallen negative Äußerungen oder Abstempelungen über Asylanten, Fremde oder Flüchtlinge, ohne dass die Urteilenden auch nur einen der für sie fremden Menschen gesehen oder gesprochen hätten? So ist es jetzt auch im Sinne Grossers ermutigend, dass sehr viele Menschen aufstehen und dass die Kette der großen Protestkundgebungen gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus, Rechtsextremismus und Hetze selbst nach Wochen nicht abreißt.

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